Rudolf Steiner

Rudolf Steiner

Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 in Kraljevec, damals Ungarn, heute Kroatien geboren, er starb am 30. März 1925 in Dornach. Leben und Werk Rudolf Steiners sind ungewöhnlich, nicht leicht zugänglich, voller Anregungen. Seine Entwürfe einer anderen Wissenschaft, einer neuen Pädagogik, Medizin und Landwirtschaft gehören zum geistigen Erbe unserer Zeit, sind Teil unseres Kulturlebens, sind Impuls und Inspiration.


1861-1879 Kraljevec, Wiener-Neustadt

Am 27. Februar 1861 wird Rudolf Josef Lorenz Steiner als erstes Kind der aus Niederösterreich stammenden Eheleute Franziska und Johann Steiner in Kraljevec (Ungarn, heute Kroatien) geboren. Der Beruf des Vaters, zunächst Telegrafist, dann Stationsvorsteher bei der österreichischen Südbahn, veranlasste die Familie zu mehreren Wohnortwechseln: nach Mödling 1862, Pottschach 1863 und Neudörfl 1869. Die Schwester Leopoldine wird 1864, der Bruder Gustav 1866 geboren. 1879 Abitur mit Auszeichnung.

1879-83 Wien

Studium an der Technischen Hochschule, zunächst mit dem Ziel des Realschullehramtes. Hauptfächer: Mathematik, Physik, Botanik, Zoologie, Chemie, daneben Literatur, Geschichte, Philosophie.

1890-97 Weimar

Mitarbeiter am Goethe- und Schiller-Archiv. Herausgabe einiger Abteilungen der Naturwissenschaftlichen Schriften Goethes, die zwischen 1891 und 1896 erscheinen.

Begegnungen mit Herman Grimm, Ernst Haeckel und Eduard von Hartmann, Freundschaft mit der Dichterin Gabriele Reuter, dem Liszt-Schüler Conrad Ansorge, dem Stirner-Biografen John Henry Mackay und dem Nietzsche-Herausgeber Fritz Koegel.


Für die «Cotta’sche Bibliothek der Weltliteratur» besorgt Steiner eine zwölfbändige Ausgabe sämtlicher Werke Schopenhauers sowie eine Jean-Paul-Ausgabe in acht Bänden. In der Reihe «Berliner Klassiker Ausgaben» (mit «Einleitungen namhafter Literaturhistoriker») erscheinen die Werke Wielands und Uhlands, herausgegeben und eingeleitet von Rudolf Steiner.

1891-92

Promotion zum Dr. phil. an der Universität Rostock bei Prof. Heinrich von Stein mit einer Arbeit über «Die Grundfrage der Erkenntnistheorie mit besonderer Rücksicht auf Fichtes Wissenschaftslehre. Prolegomena zur Verständigung des philosophierenden Bewußtseins mit sich selbst», erscheint 1892 unter dem Titel «Wahrheit und Wissenschaft». Vorspiel einer Philosophie der Freiheit. Eduard von Hartmann gewidmet.

1893

Im Herbst erscheint sein philosophisches Hauptwerk «Die Philosophie der Freiheit».

1894-1896

Besuche und Arbeitsaufenthalte im Nietzsche-Archiv in Naumburg. Bekanntschaft mit Elisabeth Förster-Nietzsche, die Steiner als Mitherausgeber der Werke ihres Bruders gewinnen will. Begegnung mit dem kranken Friedrich Nietzsche. 1895 erscheint Steiners Nietzsche-Monografie «Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit».

1897

Eine zusammenfassende Darstellung seiner bisherigen Goethe-Studien gibt Steiner in seinem Buch «Goethes Weltanschauung».

1897-1900 Berlin

Herausgeber und Redakteur des «Magazins für Literatur» und der «Dramaturgischen Blätter», dem offiziellen Organ des Deutschen Bühnenvereins. Dort und in anderen Zeitungen erscheinen zahlreiche Aufsätze zu literarischen und philosophischen Fragen, sowie Theaterkritiken und Buchbesprechungen.

1898-1905

Vorträge in der «Freien Literarischen Gesellschaft», im «Giordano Bruno-Bund» und im Literatenkreis «Die Kommenden», dessen Leitung Steiner nach dem Tod Ludwig Jacobowskis übernimmt.

Begegnungen u.a. mit Else Lasker-Schüler, Peter Hille, Stefan Zweig, Käthe Kollwitz, Erich Mühsam, Paul Scheerbart, Frank Wedekind sowie mit den «Friedrichshagenern». Freundschaft mit Ludwig Jacobowski und Otto Erich Hartleben.

Eheschließung mit Anna Eunike 1899; sie stirbt 1911.

1899-1904

Lehrtätigkeit an der von Wilhelm Liebknecht begründeten Arbeiterbildungsschule in Berlin, ab 1902 auch in Spandau. Unterrichtsfächer: Geschichte, Redeübungen, Literatur, Naturwissenschaft. Begegnung u.a. mit Kurt Eisner und Rosa Luxemburg.

1900

Der erste Band «Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert» erscheint; ein Jahr später folgt der zweite. Überarbeitet und erweitert erscheint dieses Werk 1914 unter dem Titel «Die Rätsel der Philosophie».Vorträge in der Theosophischen Bibliothek über Nietzsche und Goethes «Märchen». Dort im Herbst Beginn des Vortragszyklus «Die Mystik».Erste Begegnung mit Marie von Sivers, die ab 1902 Steiners engste Mitarbeiterin wird. Sie hatte zuvor eine Ausbildung in Rezitationskunst am Pariser Konservatorium und in dramatischer Kunst in Petersburg absolviert. Übersetzerin mehrerer Werke von Edouard Schuré.

1901-1902

Es erscheint «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zu modernen Weltanschauungen». – Auch der zweite, 1901/02 in der Theosophischen Bibliothek gehaltene Vortragszyklus erscheint überarbeitet in Buchform unter dem Titel «Das Christentum als mystische Tatsache». Steiner wird Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und ist ab Oktober 1902 Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Begegnung mit Annie Besant.

1902-04

Lehrtätigkeit an der von den «Friedrichshagenern» Bruno Wille und Wilhelm Bölsche gegründeten Freien Hochschule.

1902-12

Zusammen mit Marie von Sivers Aufbau theosophischer Logen im In- und Ausland. Rege Vortragstätigkeit sowohl öffentlich als auch im Kreise der Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft. Gründung, Herausgabe und Redaktion der Monatsschrift «Luzifer», später «Lucifer-Gnosis» (1903). Dort erscheinen grundlegende Aufsatzfolgen, darunter: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? / Aus der Akasha-Chronik / Theosophie und soziale Frage / Die Erziehung des Kindes / Die Stufen der höheren Erkenntnis. – Sie erscheinen später auch in Buchform. Freundschaft mit Christian Morgenstern und Edouard Schuré. Begegnung mit Wassily Kandinsky. Jeweils im Winterhalbjahr (ab 1903/04) öffentliche Vortragsreihen im Berliner Architektenhaus, u.a.: Ursprung und Ziel des Menschen / Metamorphosen des Seelenlebens / Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins.

1904

Es erscheint das für die Anthroposophie zentrale Werk «Theosophie». Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung.

1907 Kongress der Internationalen Theosophischen Gesellschaft

Im Rahmen des Kongresses der Internationalen Theosophischen Gesellschaft in München, dessen Gesamtgestaltung in den Händen Rudolf Steiners liegt, erfolgt durch ihn die Einstudierung und Inszenierung von Schurés «Das heilige Drama von Eleusis» mit Marie von Sivers in der Hauptrolle. Auch die künstlerisch-bildnerisch-plastische Ausgestaltung des Vortragsraumes, die bereits seine kommende baukünstlerische Idee erkennbar werden lässt, ist sein Werk.

1910

Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse zu kosmologischen und evolutionsgeschichtlichen Fragen in "Die Geheimwissenschaft im Umriss".

1910-13

Uraufführungen von Steiners vier Mysteriendramen unter seiner Leitung in München. Entwurf eines Gebäudes (Johannes-Bau) für künstlerische Aufführungen und Veranstaltungen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Die Realisierung dieses Projektes in München-Schwabing scheitert am Widerstand einiger Anlieger und der Behörden. Es erscheinen «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit», «Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen», «Die Schwelle der geistigen Welt». Das 1910 begonnene Werk «Anthroposophie» bleibt unvollendet. Intensive Studien zur Sinneslehre. In Köln 1911 erste Begegnung mit dem russischen Schriftsteller Andrej Belyj («Petersburg»), die Belyjs Leben und Werk nachhaltig prägen sollte. In Prag Begegnung mit Franz Kafka und Hugo Bergmann. Beginn der Entwicklung einer neuen Bewegungskunst, der Eurythmie (1911). Im Herbst erster Eurythmie-Kurs in Bottmingen b. Basel. In den folgenden Jahren zusammen mit Marie von Sivers Weiterentwicklung der Eurythmie zur Bühnenkunst. Trennung von der Theosophischen Gesellschaft und Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft (1912/13). Vorträge in verschiedenen Städten des In- und Auslandes über Reinkarnation und Karma / Evangelien / Leben zwischen Tod und neuer Geburt / Mysterien-Geschichte / Sinneslehre / Evolutionsgeschichte u.a. – Zusammen mit Marie von Sivers Aufbau anthroposophischer Zweige im In- und Ausland.

1913-19

Unter Rudolf Steiners Leitung und der Mitarbeit zahlreicher Künstler aus verschiedenen Ländern Errichtung des von ihm entworfenen Goetheanums in Dornach/Schweiz, ein plastisch-organisch in Holz gestalteter Doppelkuppelbau. Künstlerische Arbeiten Steiners: plastische Innen- und Außengestaltung (Entwürfe), Deckenmalereien (Entwürfe und teilweise Ausführung), Glasfenster (Entwürfe für die Motive), Skulptur (9 m hoch) «Der Menschheitsrepräsentant» (Entwürfe und teilweise Ausführung). Die entscheidenden statischen Berechnungen für den Bau wurden durch Steiner selbst ausgeführt.

Eheschließung mit Marie von Sivers (1914).

Im Umkreis des Goetheanums entsteht nach und nach ein Ensemble von Wohn- und Zweckbauten nach Entwürfen Rudolf Steiners (Glashaus, Haus Duldeck, Heizhaus, Verlagshaus, Transformatorenhaus); später folgen das Atelierhaus (Haus de Jaager) und weitere Wohnhäuser.

Der Dornacher Hügel wird zur Künstlerkolonie; u.a. siedeln sich zahlreiche russische Künstler an, unter ihnen Assja Turgenieff, Andrej Belyj und Margarita Woloschin.

Zahlreiche Vorträge über Kunst, Architektur, Zeitgeschichte und Geisteswissenschaft.

1917

Unter dem Titel «Von Seelenrätseln» erscheinen Steiners Forschungsergebnisse über die Dreigliederung des menschlichen Organismus (Nerven-Sinnessystem, Rhythmisches System, Stoffwechsel-Gliedmaßensystem) und Ausführungen über das Verhältnis von Anthropologie und Anthroposophie.

Nach Gesprächen mit dem Politiker Otto Graf Lerchenfeld über die Situation Mitteleuropas entstehen zwei Memoranden, in denen Steiner Perspektiven für eine soziale Neugestaltung des öffentlichen Lebens entwickelt. Diese werden an einflussreiche politische Persönlichkeiten in Deutschland (Kühlmann, Prinz Max von Baden) und Österreich (Kaiser Karl) vermittelt.

1919

Am 24. Februar erste öffentliche Eurythmieaufführung unter der Leitung von Marie Steiner im Pfauentheater in Zürich. Eine in Zürich gehaltene Vortragsreihe über «Die soziale Frage» erscheint überarbeitet im April als Buch unter dem Titel «Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft». Leitgedanke ist die «Dreigliederung des sozialen Organismus», d.h. die Entflechtung des Einheitsstaates in ein freies Geistesleben, ein demokratisches Rechtsleben und ein assoziatives Wirtschaftsleben. In Vorträgen und zahlreichen Besprechungen mit Vertretern der Arbeiterschaft wie auch mit Industriellen engagiert sich Steiner für das Einsetzen von Betriebsräten. Nach intensiven Vorbereitungen wird im Herbst in Stuttgart die Freie Waldorfschule als einheitliche Volks- und Höhere Schule eröffnet. Die Schirmherrschaft nimmt der Direktor der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, Emil Molt, wahr. Die Leitung wird Rudolf Steiner übertragen, der diese bis zu seinem Tod 1925 innehat. – In pädagogischen Kursen werden die Lehrer durch ihn auf ihre Aufgabe vorbereitet.

1920-25

Zahlreiche öffentliche Vorträge in Deutschland und im Ausland sowie Vortragszyklen für Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, u.a.

  • Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos
  • Anthroposophie als Kosmosophie
  • Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes
  • Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge.

Daneben wird Steiner immer häufiger gebeten, Vorträge und Kurse über fachspezifische Themen zu halten, wie: Pädagogik, Medizin, Nationalökonomie, Theologie, Landwirtschaft, Physik, Schauspielkunst, Heilpädagogik u.a. In Wien 1922 Ost-West-Kongress, an dem Steiner Hauptvortragender ist. Als Schulungsgrundlage für Maler schafft er eine Folge von Pastellskizzen und Aquarellbildern («Naturstimmungen», «Friedwartskizzen»). Zahlreiche Eurythmieaufführungen an verschiedenen Theatern in Deutschland und im Ausland, die Rudolf Steiner häufig mit einem kurzen Vortrag über die Grundaspekte dieser neuen Bewegungskunst einleitet. Anthroposophische Forschungsinstitute, Kliniken und weitere Schulen entstehen. In den Zeitschriften «Dreigliederung des sozialen Organismus» und «Das Goetheanum» erscheinen regelmäßig Aufsätze Steiners.

1922-23

In der Silvesternacht 1922/23 wird das Goetheanum durch Feuer zerstört. Die Arbeit – künstlerische Veranstaltungen und Vorträge – wird in der Schreinerei in unmittelbarer Nähe der Brandruine unvermindert fortgeführt. Für einen zweiten, in Beton gestalteten Goetheanum-Bau (Fertigstellung 1928) kann Rudolf Steiner infolge seiner Erkrankung im Herbst 1924 nur noch ein Außenmodell schaffen.

1924-25

Im Herbst 1924 Beginn des Krankenlagers. Die immens angewachsene Vortrags- und Kurstätigkeit bricht jäh ab. Während des Krankenlagers Fortsetzung der Niederschrift seiner Autobiografie «Mein Lebensgang». In Zusammenarbeit mit der Ärztin Ita Wegman entsteht die Schrift «Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst». In Briefen und Leitsätzen wendet er sich regelmäßig an die Mitglieder und gibt ihnen Anregungen für eine spirituelle Vertiefung ihrer Arbeit. Am 30. März 1925 stirbt Rudolf Steiner in Dornach.