Andere und mich selbst heilen

Andere und mich selbst heilen

04 Dezember 2024 Zacharie Dusingizimana 841 mal gesehen

Am 5. Oktober sprach Zacharie Dusingizimana auf der internationalen Tagung für inklusive soziale Entwicklung im Goetheanum. Er berichtet, wie der große Schmerz seine Heimat, Ruanda, bis heute prägt und wie wir durch die richtigen Fragen lernen, heilend zu wirken.


Im Kern der Arbeit von Rudolf Steiner steht die Frage der Freiheit: Wie werde ich ein freier Mensch, der aus seiner tiefsten Wahrheit lebt und handelt? Wie finde ich die Quelle für mein Tun in meinem innersten Wesen? Wie kann ich über Gedanken und Muster, die in meinen Körper, meine Gewohnheiten und die mich umgebende Gesellschaft eingeschrieben sind, hinauswachsen und mein wahres Selbst finden? Inklusive soziale Entwicklung meint genau das.

Ich komme aus Ruanda, im zentralen Ostafrika, und ich möchte hier einen Teil meiner Geschichte erzählen. Darüber, wie ich Mitbegründer und Direktor des Ubumwe Community Centers wurde und warum ich jetzt auf dieser Tagung bin, und wie ich als Mensch die Heilung von anderen und mir selbst ergründe.

Vor 30 Jahren war ich 17 Jahre alt und kam für die Osterferien aus dem Internat nach Hause. Ich hatte keine Ahnung, dass das der Anfang eines neuen Lebens, in einer neuen Welt und mit neuen Menschen sein würde. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen. Mein Vater war Künstler, der Holzfiguren schnitzte, und meine Mutter war Hausfrau. Wir lebten ein friedliches Leben, stolz und dankbar für das, was wir hatten. Ich war eines von sechs Geschwistern, zwei Jungen und vier Mädchen. Zu der Zeit lebten drei von uns weit weg, während wir anderen zu Hause waren.

Am Morgen des 7. April 1994 hörten wir im Radio, dass der damalige Präsident von Ruanda getötet worden war – sein Flugzeug war während der Landung in der Hauptstadt Kigali abgeschossen worden. Es war nicht klar, was passierte, und wir konnten nur durch das Radio Neuigkeiten erfahren. Im Radio wurde nur die Mitteilung wiederholt, dass alle zu Hause bleiben sollten. Ich sah, wie sich unsere Eltern und Nachbarn in kleinen Gruppen sammelten, aber ich konnte mir nicht vorstellen, was los war und was passieren würde. Einige Tage später brannten um uns die Häuser, in allen Nachbardörfern, und ich hörte das laute Geschrei der vielen Menschen, die umherrannten und ein Versteck suchten.

So begann der Völkermord an den Tutsi in meinem Dorf.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.

weiterlesen

Titelbild Eindrücke aus dem Ubumwe Community Center in Gisenyi, Ruanda