Aus der Eurythmiegeschichte Neues schöpfen

Aus der Eurythmiegeschichte Neues schöpfen

19 August 2022 Martina Maria Sam & Stefan Hasler 1283 mal gesehen

Gemeinsam mit anderen Autorinnen und Autoren erforschen Martina Maria Sam und Stefan Hasler die Geschichte der Eurythmie. Nun erscheint bald die gebündelte Neuausgabe des Dionysischen und des Apollinischen Kurses.


Franka Henn Für alle, die Eurythmie nicht näher kennen, muss man fragen: Was haben die griechischen Gottheiten Dionysos und Apollon mit Eurythmie zu tun?

Martina Maria Sam Es war nicht so, dass Rudolf Steiner die beiden Kurse so genannt hat, das waren eher die Eurythmistinnen. Sie haben diese Lehrstunden aber auch schlicht als ersten und zweiten Kurs bezeichnet. Es finden sich in beiden Kursen aber Anhaltspunkte dafür, dass die Kurse später so benannt wurden. Dionysos ist der Gott der Persönlichkeit, des Subjektiven, des Kreativen, des Schaffenden, des Schöpferischen; Apollo steht mehr für die Form und Harmonie im Ganzen. Es gibt einen mikrokosmischen und einen makrokosmischen Ansatz, um mit Sprache umzugehen. Rudolf Steiner hat in einem Vortrag über die Entwicklung der Sprache einmal gesagt, dass der Logos gewissermaßen «auseinandergerissen» worden sei. Das Schöpferisch-Lautliche und das Sinnhaft-Denkerische der Sprache waren früher eine Einheit – voneinander verschieden, aber doch in einer harmonischen ‹Zweieinheit› miteinander verbunden. Im Laufe der Entwicklung wurde zunächst das Denkerische ‹zu hoch› in den Kopf hineingedrückt. Dadurch entstanden zu allgemeine und keine individualisierten Begriffe. Das Schöpferisch-Lautliche wurde dagegen ‹zu tief› in das Unterbewusstsein des Menschen gedrückt und hat sich da mit dem egoistischen Teil verbunden, was sich zum Beispiel im nationalistischen Hervorheben der eigenen Volkssprache äußert. Rudolf Steiner hat Anregungen gegeben, wie man die beiden Logos-Teile wieder verbinden könne; das spiegelt sich auch in diesen beiden Eurythmiekursen. Auch ist die Geschichte der einzelnen Kurse mit unterschiedlichen Frauen verbunden: Der Impuls des Dionysischen mit der jugendlichen Lory Smits, der Apollinische Kurs mit Tatiana Kisseleff.

Henn Wie sind diese beiden Kurse dann entstanden?

Sam Nach der die Eurythmie initiierenden Frage von Clara Smits gab Rudolf Steiner zunächst ihrer Tochter Lory einzelne Angaben, bis er dann 1912 neben dem Zyklus zum Markus-Evangelium in Basel mehr Zeit hatte und ihr neun Lehrstunden erteilte. Tatiana Kisseleff, die die Eurythmie-Arbeit in Dornach leitete, berichtete, dass sie im März 1915 Rudolf Steiner Gedichte von Christian Morgenstern eurythmisch gezeigt und dieser dann gesagt hätte, die bis dato gegebenen Grundlagen reichten nicht mehr aus, es müsste einen neuen Kurs geben. Es wurden für den August/September die vier Menschen, die damals schon Kurse in Eurythmie gaben, eingeladen: Neben Lory Smits und Tatiana Kisseleff noch Erna Wolfram und Elisabeth Dollfus. Und weil Rudolf Steiner eine neue Dichtung geschrieben hatte, die ‹Zwölf Stimmungen›, für deren Aufführung er 19 Eurythmistinnen brauchte, holte man noch eine ganze Reihe anderer junger Frauen dazu, die beim Bau des Ersten Goetheanum mitarbeiteten, als Schnitzerinnen oder Malerinnen. So fanden diese 22 Lehrstunden letztlich für 19 Teilnehmerinnen plus Marie Steiner und Mieta Waller sowie die drei Mütter Marguerite Dollfus, Elise Wolfram und Clara Smits statt.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Website der Wochenschrift lesen.