Dem Ewigen Gegenwart schenken

Dem Ewigen Gegenwart schenken

11 Juli 2025 Wolfgang Held & Andrea Pfaehler 47 mal gesehen

Für die ‹Faust›-Inszenierung am Goetheanum laufen jetzt die Proben. Was ist das für ein Entwicklungsraum? Ein Gespräch von Wolfgang Held mit Andrea Pfaehler, Regisseurin und künstlerische Leiterin der ‹Faust›-Produktion.


20 Schauspielerinnen und Schauspieler spielen im Oktober gemeinsam mit der Eurythmie Goethes ‹Faust›. Wie wird aus ihnen ein Ensemble?

Andrea Pfaehler Wir proben mit dem Zielpunkt Premiere am 10. Oktober. Das ist mit jedem Spieler und jeder Spielerin eine ganz eigene Reise – unendlich verschieden. Und doch ist das Ziel für uns alle das gleiche. Das ist ein Geheimnis, dass wir alle, auf so vielen verschiedenen Wegen, uns dann doch zur Aufführung gemeinsam treffen. Dabei ist nicht nur der Weg für jeden eine eigene Sache, sondern auch das Tempo dieser Reise. Um im Bild zu bleiben: Auch das Vehikel dieser Reise ist für jeden anders.

Gibt es bei dieser Reise auch Sprünge?

Ja, in den Proben, aber interessanterweise auch in den Zeiten, in denen das Gearbeitete ruht und sich senkt. Die Szenen entwickeln sich dann weiter. Darauf müssen wir bauen und können doch nicht voraussagen, was da innerlich geschieht. Da gibt es keine Sicherheit.

Was gibt dir dann Vertrauen?

Es ist mir manchmal selbst etwas rätselhaft, was mir, was uns den Boden schenkt, und es gibt auch Zeiten, in denen sich die Fragen und Baustellen dieser neunstündigen Inszenierung ziemlich auftürmen – hier fehlt dies, dort fehlt das. Ich glaube, das Vertrauen kommt von zwei Seiten: einmal von dem, was die Spieler und Spielerinnen in sich tragen, welchen Schatz da jeder mitbringt, und dann von Goethes ‹Faust› selbst – dem Stück. Das ist so groß, dass es uns alle trägt. Und: Wir fangen ja auch nicht bei null an, sondern können mit der neuen Besetzung auf die bestehende Inszenierung von 2020 zurückgreifen.

Da schenkt etwas Vertrauen und gleichzeitig bedeutet Ensemblearbeit, sich Vertrauen zu geben – oder?

Zu proben bedeutet für die Spielenden, sich vollständig zu offenbaren. Die Spielenden geben ihr Ganzes, alles, was sie in diesem Moment zur Verfügung haben. Und das geht nur in einem Vertrauensraum – einem umfassenden Ja zueinander. Als Regisseurin sehe ich, wohin es sich entwickeln sollte. Viel wichtiger für mich ist es, ganz offen zu sein für jeden Einzelnen, denn aus ihm oder ihr geschieht das Spiel. Das ist es, was Regie für mich ausmacht: im Gespräch, im gemeinsamen Sehen und Hören Bedingungen zu schaffen, unter denen jeder sein Potenzial entfalten kann. Ich bin übrigens sehr froh über die gemeinsame Arbeit mit Rafael und dem Eurythmie-Ensemble. Das ist eine Bereicherung!

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.


Faust 2025 im Goetheanum

10.–12. Oktober
18.–19. Oktober
25.–26. Oktober

Tickets faust.jetzt

Inszenierung: Andrea Pfaehler, Eurythmie: Rafael Tavares, Co-Regie: Isabelle Fortagne, Dramaturgie: Wolfgang Held, Musik: Balz Aliesch, Licht: Thomas Stott / Dominique Lorenz, Bühnenbild: Nils Frischknecht, Kostüme: Julia Strahl

Bild Andrea Pfaehler, Foto Xue Li