Einblicke in die Generalversammlung 2020
Am 31. Oktober 2020 fand die Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposohpischen Gesellschaft am Goetheanum nach den Vorgaben des Standortkantons Solothurn statt.
Vor 100 Jahren wurde die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz gegründet. Marc Desaules (aktueller Generalsekretär) und Otfried Doerffler (erster Generalsekretäre) stellten dar, wie diese Gesellschaft von Anfang die Anbindung an das Geistige suchte und dabei zugleich der kosmopolitische Zug im Zentrum stand. Constanza Kaliks sprach seitens des Vorstands am Goetheanum den Dank aus, dass das Goetheanum in der Schweiz sein kann. Sie wies dabei auch auf die Erfahrungen und Praxis der Schweiz mit der Vielsprachigkeit hin, durch die beispielsweise der eine Französisch spricht und ein anderer auf Deutsch antwortet.

Aus der Arbeit des Vorstands
Die Mitglieder des Vorstands am Goetheanum gaben Einblicke in Aspekte ihrer Tätigkeit.
Joan Sleigh, die mit dieser Generalversammlung ihre Amtszeit im Vorstand aus persönlichen Gründen nicht verlängern wird, stellte dar, wie wichtig es ist, in solch einem Amt Kolleginnen und Kollegen zu haben. Am Goetheanum ist dies die Goetheanum-Leitung, deren Mitglieder ihre individuelle Fähigkeiten einbringen und als Gemeinschaft etwaige Unfähigkeiten auffangen. Joan Sleigh wird die Verbindung zum Goetheanum und seinen Aufgaben durch konkrete Aufgaben weiterhin halten. Dazu gehört ihre Verantwortung im Social Initiative Forum und ihre Aufgabe im Zusammenhang der sogenannten Klassenstunden.
Matthias Girke, der auch die Medizinische Sektion am Goetheanum leitet, wies anlässlich des 100. Jahres ‹Geburtstages› der Anthroposophischen Medizin auf die Aufgabe hin, an Zurückliegendes anzuschließen und zugleich das wahrzunehmen, was als Aufgabe aus der Zukunft auf uns zukommt. Eine wichtige Aufgabe dabei ist auch, nicht für, sondern mit der jungem Generation tätig zu sein. Zu den Zielsetzungen der anthroposophischen Arbeit gehört insbesondere, Anthroposophie sichtbar zu machen.
Constanza Kaliks arbeitete nicht zuletzt aus ihrer Arbeit als Leiterin der Jugendsektion am Goetheanum die Aufgabenstellungen heraus, dass junge Menschen in Mut und Vertrauen tätig sein können. Sie machte darüber hinaus deutlich, dass junge Menschen je nach Lebensort nicht per se Zugang zur heutigen Technologie haben, und berichtete von deren Frage: Warum habe ich nicht diesen Anschluss? Auf der anderen Seite geht es auch darum, das, was einem zustößt, daraufhin zu prüfen, inwieweit es zum eigenen Leben gehröt – und es in einem weiteren Schritt zu verwandeln, insofern es verwandelt werden kann.
Ueli Hurter wurde in den Vorstand kooptiert und stellt sich heute der (erhofften) Bestätigung durch die Mitglieder. Er betonte die Notwendigkeit, heute aus einer inneren Haltung heraus tätig zu werden. Damit meinte er unter anderem, dass man in der Gegenwart handelnd und gestaltend tätig ist – auf Grundlage einer ‹Michaelischen Haltung›. Ueli Hurter wies beispielsweise auf das von Justus Wittich und ihm für die Goetheanum-Leitung herausgegebenen Buch ‹Perspektiven und Initiativen zur Coronazeit› und auf die Vortragsreihe ‹Zur Signatur der Gegenwart› am Goetheanum hin, die auch als Videoaufzeichnung verfolgt werden kann.
Justus Wittich verschob seinen Beitrag auf den Nachmittag, wenn er als Schatzmeister von den Finanzen berichten wird.

Grußworte aus der Welt
Aus Neuseeland, Australien, Schweden, Japan und Indien gaben Repräsentantinnen und Repräsentanten der anthroposphischen Arbeit von der allgmeinen Situation und der anthroposophischen Arbeit in ihrem Land. Zudem gab es einen Gruß aus Russland.
Veränderungen bei der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft
Die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft ist Trägerin der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft mit elf Fachsektionen.
Die Leitung der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion wird nach einer Koordinationszeit durch Joan Sleigh gebildet von Constanza Kaliks, Claus-Peter Röh und Peter Selg. Sie hat als Gegenstand den Menschen als einen Werdenden. Damit verbunden ist die Frage nach der Würde des Menschen und nach dem, wie Menschen das, was ihnen in ihrem Leben begegnet, verstehen lernen können. Es geht – angesichts der Krisen der Gegenwart, möglicherweise verbunden mit Erlebnissen der Ohnmacht – darum, Hoffnungskräfte zu entwickeln und das Innere des Menschen mit dem äußeren Geschehen in ihrem Wechselverhältnis zu verstehen und in eine Balance zu bringen.
Die Leitung der Naturwissenschaftlichen Sektion ging nach 24 Jahren von Johannes Kühl an Matthias Rang und Johannes Wirz. Diese Sektion versteht eine ihrer Aufgaben darin, die Naturwissenschaft um den Aspekt der Lebenskräfte zu erweitern und die Erkenntnissicherheit, die die Naturwissenschaft bietet, in die Anthroposophie zu tragen. Es geht also darum, Natur und Geist, Natur- und Geisteswissenschaft miteinander zu verbinden.
Die Leitung der Sektion für Bildende Künste ist von Marianne Schubert an Christiane Haid übergeben, die weiterhin gleichzeitig die Sektion für Schöne Wissenschaften leitet. Sie bildet mit Barbara Schnetzler, Jaike Dunselman, Rik ten Cate und Pieter van der Ree ein Kollegium. Zum Kunstbegriff der Sektion gehört, das Seelische durch Kunst anzuregen. Ein Kunstwerk ist dann nicht nur eine abschlossene Entität, die beispielsweise als Gemälde an der Wand hängt, sondern Teil einer inneren Entwicklung des/der Betrachtenden. Die Umsetzung dieses Impulses findet durch die Sektion auch in Form von Ausstellungen statt, zurzeit unter dem Titel ‹Aufbruch ins Ungewisse. Kunstschaffen in Zeiten von Corona›.

Aus der Arbeit am Goetheanum
Stefan Hasler kündigte das Einrichten verschiedener Stätten auf dem Goetheanum-Campus an, durch die das Wirken des Geistigen im Sinnlichen sichtbar gemacht werden soll. Unter dem Gesichtspunkt ‹Metamorphose› werden das Modell des Ersten Goetheanum, die plastische Figurengruppe ‹Der Menschheitsrepräsentant› in ihrer Entstehungsgeschichte und Aspekte des Goetheanismus aus- beziehungsweise dargestellt; ein weiteres Thema ist das Doppelkuppelprinzip. Im Außenbereich sind Darstellungen zur biodynamischen Landwirtschaft mit Kompostplatz und ein Bienenpavillon geplant.
Wolfgang Held berichtete für die Wochenschrift ‹Das Goetheanum› von einer Auflagensteigerung von rund zehn Prozent. Die Aktivitäten der Sektionen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft fanden einen stärkeren Niederschlag in Beiträgen. Dabei spielten nicht zuletzt Darstellungen zur Corona-Pandemie (auch online) eine Rolle. Andreas Worel sprach zu seinem Antrag den ursprünglichen und einst – im Zuge des Nationalsozialismus in Deutschland – aufgegebenen Untertitel ‹Internationale Wochenschrift für Anthroposophie und Dreigliederung› für ‹Das Goetheanum› wieder aufzugreifen, weil Dreigliederung auf verschiedenen Ebenen der Anthroposophie eine zentrale methodische Rolle spielt. Aufgrund der Besonderheit der Generalversammlung in diesem Corona-Jahr zog er diesen Antrag für dieses Jahr zurück.
Johannes Falk dankte für eine frühere Entscheidung zur Selbstverwaltung des von Künstlerinnen und Künstlern bewohnten Hauses Haldeck und sprach von der Notwendigkeit, eine Lösung für die Finanzierung der weiteren Renovierung zu finden.

Finanzen des Goetheanum
Justus Wittich skizzierte als Schatzmeister die finanzielle Situation vor allem des Berichtjahres 2019. Die geplante Auflösung des strukturellen Defizits innerhalb von drei Jahren ist nicht gelungen, auch wenn ausgeglichene Haushalte vorgelegt werden konnten. Möglich war der Ausgleich beispielsweise 2019 durch Verkauf eines Hauses. Auf der anderen Seite wurde eine Entscheidung für ein eigenes Eurythmieensemble am Goetheanum und für die Aufführung von Johann Wolfgang Goethes ‹Faust 1&2› getroffen.
Die Jahresrechnung 2019 wurde mit 113 Stimmen, 14 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen genehmigt.
Die Treuhand Santschi & Partner wird als Revisionsstelle bestätigt.
Vorstand am Goetheanum
Der Vorstand wurde mit 114 Stimmen bei 15 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen entlastet.
Der Berufung von Ueli Hurter in den Vorstand wurde mit 133 Stimmen bei 2 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen bestätigt.
Mit herzlichem, dankbarem Applaus dankt die Versammlung Joan Sleigh für ihre siebenjährige Amtszeit im Vorstand. Sie kehrt nach Südafrika zurück.
Anträge und Anliegen
Der Antrag von Robert Jan Kelder ‹Das neue Christentum wollend in Liebe der Welt verbinden zur Gesundung von Mensch und Erde› wurde zur Kenntnis genommen; auf Wunsch der Mehrheit trat die Versammlung nicht in eine Debatte ein.
Der Antrag von Andreas Worel zum Untertitel der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› (siehe oben: ‹Aus der Arbeit am Goetheanum›) wurde für dieses Jahr zurückgezogen.
Das Anliegen von Eugen Meier zur Rehabilitierung von Herbert Witzenmann wird nicht weiter behandelt.
Fotos: Xue Li