Eurythmie und Sprachgestaltung – online?
Die Ostertagung der Sektion für Redende und Musizierende Künste am Goetheanum 2021 wurde online durchgeführt. Die Ärztin Wilburg Keller Roth hat für die Zeitschrift ‹Auftakt›, Juni 2021, ihre Eindrücke beschrieben, die hier auszugsweise wiedergegeben werden.
Das Problem der elektronischen Kommunikation zum Thema zu machen und die ersten mutigen Expert/inn/en zur Mitwirkung an der Tagung einzuladen, war ein guter Griff. Wie frühere Generationen mit der Eisenbahn, den Automobilen oder dem Telefon werden wir jetzt auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikation Erfahrungen sammeln und spezifische Kompetenz erwerben müssen.
Bild und Leben
Nach dem Ansehen fast aller angebotenen Eurythmievideos war ich fix und fertig wie selten! Fazit: Die Eurythmie im Videobild belebt nicht, wie die Waldtapete im Wohnzimmer nicht den Wald ersetzt. Das gilt auch dann, wenn die Eurythmiebewegung in der Natur gefilmt wird; aber die Natur wird zu einem ruhigen und stimmigen – gebärdenhaft konkordanten – optischen Rahmen. Was das Video vermitteln kann, ist die Ästhetik der Bewegung, der Rhythmen, Farben und Formen in der Zeit, besonders in der Toneurythmie. Die Langsamkeit des Sprechens für die Lauteurythmie wird im Video noch mehr zum Problem als manchmal auf der Bühne. Unbewältigtes kann sich aufdrängen und ablenken: die undurchdrungene Schulterpartie, das kleine Bäuchlein … Die Weitwinkelperspektive der Handykamera verzerrt die Gesichter, ungünstige Lichtverhältnisse verfälschen die Farben. Durch die weit entwickelte Fernsehoptik sind wir anspruchsvoll geworden. Auch die Tonqualität kann ein Problem sein, oder ein verstimmtes Klavier; das hindert aber nicht, sich am Enthusiasmus der Kinder und der Lehrer/innen bei der Schuleurythmie zu freuen. Die Eurythmie ist Ahriman abgerungen, er holt sie sich zurück, wo er kann, wenn wir es zulassen. Dass wir darauf aufmerksam werden – aber auch für das luziferische Entgleiten –, war der Stuttgarter Heileurythmistin Ursula Ziegenbein (DE) ein vermächtnishaftes Anliegen.
Sehraum und Hörraum
Der Sehraum verdinglicht, zentriert, der Hörraum vergeistigt, peripherisiert. Man kann den Unterschied erleben, wenn man erst bewusst die Augen schließt und lauscht, sie dann wieder öffnet und beobachtet, wie sich sofort ein ganz anderes Raumerleben einstellt. Die Eurythmie muss vom Hörraum her gegriffen werden. Wie vermittelt man das über ein visuelles Medium?
Bei einem gedankenvollen Vortrag ergibt das Video keinen Mehrwert; wenn ich das Bild ausblende, ist das «leise Imaginieren» im Zuhören (Rudolf Steiner, GA 315, Vortrag vom 17. April 1921) intensiver, und ich kann besser erinnern, was ich gehört habe.
Die schöne Präsentation von Stefan Hasler zum apollinischen Kurs mit eingeblendeten Abbildungen, Tabellen und Eurythmie-Demonstrationen zeigte, wie viel Vorbereitung es braucht, um die Möglichkeiten einer Online-Präsentation optimal zu nutzen. Wir alle werden noch viel lernen müssen!