Frieden und Nationalismus

Frieden und Nationalismus

12 September 2023 Nathaniel Williams 1289 mal gesehen

Die Feder mag mächtiger sein als das Schwert, aber wir können uns der Macht des Schwertes, das Wort zu korrumpieren, nicht entziehen – die Bedingungen, unter denen der Logos entsteht, sind wichtig. Die Abgrenzung und der Schutz der Meinungsäußerung und des Dialogs gegenüber dem Schatten von Gewalt und wirtschaftlicher Einflussnahme sind eine grundlegende Herausforderung im politischen und kulturellen Leben.


Wenn Sprache und Gespräch nicht klar von der Macht, sei sie leibhaft oder wirtschaftlich, getrennt sind, wird der Austausch vielschichtig: Unter der Oberfläche spielen sich Dinge ab, in die wir nicht eingeweiht sind. Wir machen uns etwas vor, wenn wir das nicht berücksichtigen. Die Kooperation des Straftäters, der schweigend ein Urteil akzeptiert und seine Hände zum Anlegen von Handschellen anbietet, erscheint gespenstisch unwirklich, wenn wir die Augen vor dem drohenden Zwang verschließen, dem er im Gerichtssaal ausgesetzt ist. Die aufgezeichneten Geständnisse von Abu Zubaydah, dem Gefangenen in Guantanamo, ergeben keinen Sinn mehr, wenn wir seine Zeichnungen der Bedingungen gesehen haben, denen er ausgesetzt war. Im Gegensatz dazu, als Desmond Tutu und Nelson Mandela – im Rahmen der Tätigkeit der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika – ein Feld für menschlichen Ausdruck jenseits juristischer Einmischung boten, nahmen sie das Schwert weg und gaben dem Wort Raum, sich zu entfalten. Sofern die Wahrheit ausgesprochen werden konnte, konnten die Menschen sie akzeptieren, trauern und auf kollektiver Ebene Versöhnung und Vergebung finden.

Die Dynamik zwischen Feder und Schwert – zwischen Bedeutung und Zwang – stellt eine praktische Herausforderung dar, Macht oder die Androhung von Gewalt von wichtigen Bereichen des kollektiven Lebens zu trennen. (Die wirtschaftliche Einflussnahme ist natürlich ein ebenso wichtiger Aspekt, der nicht unterschätzt werden sollte). Die Beziehung zwischen Volk und Staat ist ein Ansatzpunkt, um diese Dynamik zu erörtern. ‹Volk› bezieht sich in diesem Zusammenhang auf eine sprachliche und kulturelle Gemeinschaft – eine Gruppe von Menschen, die eine Sprache und kulturelle und historische Aspekte ihrer Identität teilen. Im Gegensatz dazu wurde der ‹Staat› zumindest vor dem 19. Jahrhundert nicht eng mit einem einzigen Volk identifiziert – der Staat umfasste viele Völker, und die Völker pflegten einen Austausch, der nicht mit staatlichen Belangen verbunden war.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen.

weiterlesen

Bild Blick auf den UNO-Hauptsitz in Genf. Bild: Mathias Reding via Pexels