Homers ‹Odyssee›

Homers ‹Odyssee›

29 August 2021 Wolfgang Held 1423 mal gesehen

Die Junge Bühne spielt in ihrem zehnten Jahr die ‹Odyssee› von Homer. Wer könnte besser den Mythos aus der Jugend der Menschheit zeigen als Jugendliche? Der Artikel erschien in der Ausgabe Nr. 31–32 der Wochenschrift ‹Das Goetheanum›.


Gibt es eine größere Geschichte als die der Heimfahrt? Kein Wunder, dass dieser Mythos in Griechenland zum ersten Mal erzählt wird, denn im antiken Griechenland ging die ganze Menschheit auf diese Reise. Große Momente erinnern daran: wenn der Feldherr Miltiades gegen alle militärische Tradition mit seinen Athener Hopliden auf die persische Übermacht losstürmt und sie so bezwingt. Zehn Jahre später, als Persien zum zweiten Schlag ausholt, raten selbst die Götter im delphischen Orakel, zu fliehen, und wieder siegt der menschliche Wille eines Einzelnen, diesmal ist es der Stratege Thukydides, der die persische Flotte bezwingt. Olympia wird zur Weihestätte des Menschen, der sich auf seinen eigenen Weg macht, sich auf sein eigenes Denken beruft und sich von den Göttern lossagt. Im eigenen Leib findet er dabei seinen Tempel und Olympia war das Heiligtum, um diese Ankunft im Leib zu feiern. Wer hier in Olympia am weitesten sprang, den riefen die Läufer landesweit aus und machten so den Unbekannten zur Persönlichkeit. An der Wiege der freien Persönlichkeit steht die ‹Odyssee›. Anders als in der ‹Ilias›, dem zweiten Homer’schen Epos, wo Götter für und gegen die Menschen Partei nehmen und zu den eigentlichen Figuren werden, ist es hier Odysseus, der Mensch, der die Geschicke bestimmt. Ihm stellen sich nicht Götter, sondern Naturgewalten in den Weg. Wie jeder Mythos ist auch die ‹Odyssee› eine Erzählung, die nie stattgefunden hat, die sich aber fortwährend ereignet. Wenn der Philosoph Martin Heidegger schreibt, dass man ins Leben hineingeworfen sei, um aus dieser Lage dann einen Grund zu finden, dann ist das nichts anderes als eine Odyssee. Ein Bild ist die Geburt: Man lässt die Plazenta, diese kosmisch-mütterliche Hülle, zurück, um das ganze Leben diese Hülle wiederherzustellen.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Website der Wochenschrift lesen.

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Das Goetheanum · Ausgabe 31-32 · 30. Juli 2021