Homo sapiens und seine Weggefährten

Homo sapiens und seine Weggefährten

08 November 2022 Johannes Wirz 1130 mal gesehen

Es kommt selten vor, dass der Nobelpreis für Medizin an jemanden vergeben wird, der nicht an Themen mit klinisch oder therapeutisch relevanten Ergebnissen forscht. Svante Pääbo, ein schwedischer Wissenschaftler und Direktor am MPI in Leipzig, hat es geschafft. Seine Entdeckungen haben Folgen für die anthroposophische Deutung der Entstehung des Menschen.


Er begann bereits während seiner Promotion in den 80er-Jahren heimlich mit der Isolierung und Sequenzierung von DNA aus einer ägyptischen Mumie. Ein 1985 darüber publizierter Artikel löste Begeisterung, aber auch Zweifel aus. Dies nahm Pääbo zum Anlass, sich im Alleingang auf die molekulargenetische Untersuchung von DNA aus fossilen Menschenknochen zu spezialisieren. Kein leichtes Unterfangen, wie er in einem Interview betonte, weil Staubpartikel in der Luft oft mehr Erbmaterial enthalten als die gesamte Probe – sie können zu extremen Verunreinigungen führen. 1997 erregte Pääbo mit seiner Forschungsgruppe weltweites Aufsehen mit der Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms. Es stellte sich heraus, dass Menschen aus Europa und Asien zwei bis vier Prozent Gensequenzen dieser Menschenverwandten in ihren Chromosomen tragen und dass, auf die gesamte euroasiatische Bevölkerung verteilt, ca. 50 Prozent ihrer Erbsubstanz im modernen Menschen fortbestehen. Aufregend war auch die Entdeckung einer dritten Menschenart, die wie Homo sapiens für 100 000 Jahre gemeinsam mit dem Neandertaler existierte: des Homo denisova. Es mutet wie ein Sechser im Lotto an, dass anhand des Fingerknochens eines Denisova-Mädchens nachgewiesen werden konnte, dass sein Vater ein Homo sapiens, die Mutter ein Homo neanderthalerensis war.

Pääbo ist nicht nur kreativ und genial, sondern darüber hinaus auch ein begnadeter Teamleiter und Kooperationspartner – das Gegenteil von einem Alphatier. Nicht zuletzt deshalb gelang es, in den schier unüberschaubaren Datenmengen Gene zu entdecken, die nur beim modernen Menschen vorkommen und an der biologischen Fundierung des Sprachvermögens und der Entwicklung eines großen Gehirns beteiligt sind.

Die Forschungsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass die drei verschiedenen Unterarten von Homo sich immer wieder verbunden haben. Die Definition von Populationen als Rasse ist – wie Pääbo betont – ein irregeleitetes europäisches Konstrukt!

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Website der Wochenschrift lesen.

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Titelbild Schädel von Homo Sapiens (links) und Homo Neanderhal (rechts) aus Cleveland Museum of Natural History. Foto: Dr. Mike Baxter (CC BY-SA)