Kunst wirkt: Neue STIL-Ausgabe
Die Zeitschrift STIL. Goetheanismus in Kunst und Wissenschaft, 1979 gegründet und 2020 neu ausgerichtet, hat in der Michaeli-Ausgabe die Kunst zu ihrem Themenschwerpunkt gemacht.
«Kunst wirkt», so der Titel mit einem eindrucksvollen Bild der «Planetenscheibe Mond» der Wort-Schrift-Bild-Künstlerin Barbara Groher, deren breites künstlerisches Spektrum in der gleichen Ausgabe durch ein Interview dokumentiert wird. Der STIL wird mit einem Essay des Musikwissenschaftlers Michael Kurtz zum 90. Geburtstag der Komponistin Sofia Gubaidulina eröffnet und schließt mit einem Blick des Architekten Henning Schulze-Schilddorf auf das zeichnerische Werk des Bildhauers und Malers Christian Hitsch zu dessen 70. Geburtstag. An diesen drei sehr verschiedenen Künstlerpersönlichkeiten zeigt sich, dass alle Kunst aus einer wahrhaften Beziehung zum Geistigen heraus hervorgeht. Dabei kommt es darauf an, dass der Künstler geistig Wahrgenommenes in der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Stoff so zur Erscheinung bringt, dass der Rezipient in eine innere, selbst schöpferische Bewegung kommt. Wird das Essenzielle der Kunst an den drei Lebensbildern im Biographisch-Individuellen sichtbar, so in den anderen Beiträgen durch das jeweilige Fachgebiet: Architektur, Bildhauerei, Farblichttherapie, Glasfensterkunst, Malerei und Kleinodiengestaltung eröffnen ein breites Spektrum für die Wirksamkeit von Kunst auf den Menschen und für den Menschen. Fast alle Beiträge sind aus Vorträgen zu der Himmelfahrtstagung der Sektion für Bildende Künste 2021 mit dem Thema «Die Bedeutung der Kunst für Gesundheit, inneres Leben und die Gesellschaft» hervorgegangen und wurden von praktizierenden Künstlern verfasst. Der Zugang zu dem jeweiligen Thema selbst ist also immer deutlich spürbar ein künstlerischer.
Christiane Haid geht in ihrem einführenden Beitrag den grundsätzlichen Fragen nach der Systemrelevanz von Kunst in Zeiten von Corona nach und zeigt, dass sie «Wege der Entfaltung des Menschen» möglich macht und zur «Selbstverantwortung und Selbstbesinnung» führen kann. Anhand von Betrachtungen zu literarischen, bildhauerischen und malerischen Werken der Gegenwart wird unmittelbar nacherlebbar gemacht, wie Kunst schaffen und Kunst nachschaffen ein Akt der Freiheit ist, da der «Mensch von der Wirklichkeit als Produkt sich zu ihr als Produzenten erhebt» (Rudolf Steiner).
Wie Architektur auf den Menschen wirkt und wie sie heilend sein kann, sind Themen, die die beiden Architekten Pieter van der Ree und Yaike Dunselman bearbeiten. Pieter van der Ree gibt einen historischen Überblick über das Wechselverhältnis von Architektur und Mensch ausgehend vom Münchner Kongresssaal 1907 bis zu heutigen Bauten, bezieht die Anforderungen, welche die Digitalisierung stellt mit ein und entwickelt, welche Fähigkeiten heutzutage für eine Beseelung der Bauten notwendig sind. Yaike Dunselman stellt die Kräfteprinzipien von «Lasten und Tragen» am Neubau des Heilmittellabors in Arlesheim vor und zeigt, wie der Mensch durch den Nachvollzug dieser beiden Kräfte selbst in eine innere, musikalische Schwingung kommt. Die Bildhauerei ist Ausdruck der Lebenskräfte – Barbara Schnetzler und Rik ten Cate beschreiben, was es heißt diesen durch die plastischen Werke Form zu verleihen. Aufgabe ist es, «für das Lebendige einzustehen» (Barbara Schnetzler) und, einen Schritt weiter noch, die «Wechselwirkung zwischen der Seele und den Lebenskräften» (Rik ten Cate) in heilsamer Weise zu fördern. Eine besondere Stellung innerhalb der Künste nimmt die Glaskunst und die aus ihr entstandene Farblichttherapie ein. Lucien Turci, Leiter des Forschungsprojektes «Metallfarblichttherapie», beschreibt den faszinierenden Prozess der Farbglasherstellung und den geheimnisvollen Zusammenhang der Metalle mit der Erde und den Menschen. Bert Chases prüft in seinem Beitrag die unterschiedliche Wirkung des Lichtes, das durch die Goetheanumglasfenster entsteht, und dem Licht, das ein Computerbildschirm produziert. Wird im Anblick der Fenster eine neue Sensibilität der Wahrnehmung möglich, so werden im anderen Fall aus Farben «flache Farbflächen ohne innere Leuchtkraft. Man könnte es als das Sterben des Lichts in der Farbe bezeichnen». Metalle spielen auch bei der Kleinodienkunst eine große Rolle. Die Goldschmiedin Anna Deimann forscht zu Metallen und Mineralien und versucht im Einklang mit dem jeweiligen Träger das Schmuckstück so zu gestalten, dass es «der Individualität entspricht, einem Siegel gleich». Den Reigen der Künste schließt die Malerin Emanuala Assenza. Sie schreibt über die Phänomene des Erscheinens in der Kunst, die am Übergang des Sichtbaren und Nichtsichtbaren auftreten.
Zusammen mit den sehr schönen Bildern und der ästhetischen Gestaltung durch den Berliner Grafiker Wolfram Schildt ist der STIL selbst ein kleines Kunstwerk, dass beim Durchblättern schon Freude macht und zum Lesen einlädt.
Themenschwerpunkt der Weihnachtsausgabe ist: «Das Mysterium des Menschen».