Lernen für eine gemeinsame Welt

Lernen für eine gemeinsame Welt

19 Juni 2023 Constanza Kaliks 1092 mal gesehen

Mehr Mensch, mehr Welt: Das war ein leitendes Motiv im Eröffnungsvortrag von Josep Maria Esquiro. Darin klingt an, was während der Zusammenkunft von Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern bei der World Teachers’ Conference am Goetheanum lebte.


Mehr Mensch, mehr Welt: Das Kind vertraut dem Lehrer, weil dieser versucht, weltdurchdrungen zu sein, weil er sich immer erneut der Welt zuwendet – erkennend, bejahend, sie wollend. Und weil die Lehrerin dem Kind zugewandt ist – seine Gegenwart bejahend, es sehend, es immer mehr in seiner Potenzialität erkennend. Diese doppelte Zuwendung zeigt Rudolf Steiner als Grundlage der Pädagogik überhaupt auf: als Voraussetzung für das Verhältnis von Kind und Lehrerin bzw. Lehrer, auf dem das Lernen der Welt, das Teilhaben an der Wirklichkeit der Welt begründet ist.

Das Kind im Zentrum, die Welt im Zentrum – gleichzeitig lebt beides im Bewusstsein des Pädagogen. Zwei Zentren, die zusammen die beiden Brennpunkte einer Ellipse der Aufmerksamkeit bilden. Die pädagogische Aufmerksamkeit gleicht einer Bewegung auf dieser Ellipse: einmal näher am Kind, dann näher an Naturphänomenen, an einer Geschichte, näher an einer mathematischen Gleichung, an einer Entdeckung – näher am Reichtum der Welterscheinungen. Lehrerinnen und Lehrer können ein solches Sensorium für Nähe und für wahrnehmende, aufmerksame Entfernung entwickeln: ein ahnendes, tastendes Sehen, das zum Kind gewendet ist, auf den werdenden Menschen, auf den neuen Weltenbürger, der ein Mitbürger einer gemeinsamen Welt sein möchte.

Lernen für die eine Welt

So ist Lernen ein Lernen für eine gemeinsame Welt. Wir wissen uns gemeinsam, aufeinander angewiesen, wechselseitig, einmalig und einzigartig – mit allen anderen, die auch je einzig sind. Das Wissen um die gemeinsame Welt und die frei und individuell gefasste Verantwortung für diese bildet den fruchtbaren Boden für die Pädagogik und für die Gesellschaft. Die Erziehungsfragen sind soziale Fragen – früh im 20. Jahrhundert formuliert Rudolf Steiner diese immer sichtbarer werdende Wirklichkeit.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen.


Foto Xue Li