One Health

One Health

10 April 2023 Wolfgang Held 1324 mal gesehen

Zu forschen, wie die menschliche Gesundheit und die Gesundheit von Haus- und Wildtieren, Pflanzen und Kleinlebewesen gestärkt wird und nachhaltige Lösungen im Dialog aller Menschen sich finden, ist die Idee von One Health. An drei Tagen trafen sich 100 Interessierte zum Forschungskongress der Medizinischen Sektion.


Das Leben studieren und fassen – so lautet übersetzt der Untertitel der diesjährigen Forschungstage der Medizinischen Sektion. Georg Soldner vom Goetheanum und Erik W. Baars vom Louis Bolk Institute und Professor an der Universität von Leiden leiteten die dreitägige Zusammenkunft. Nicht nur in den beiden Verantwortlichen war es ein niederländisch-deutsch-schweizerischer Brückenschlag, denn auch viele der Teilnehmenden kamen aus diesen Ländern. Zu den Niederlanden gehört ja, dass sie wohl die globalste Nation Europas sind. Wo immer man sich auf der Welt aufhält, hört man niederländischen Klang. Die Weite spiegelte auch die Zahl der 17 (!) Beitragenden. Wie bei einem Tanz kreisten die Referate um das Rätsel und die scheinbare Unergründlichkeit des Lebens, wobei es immer wieder gelang, in die Mitte zu springen und so einen Anker, einen Bezug herzustellen. Annick de Witt aus Utrecht setzte solch einen Leuchtpunkt. Sie berichtete von ihrer Forschung, wonach vier Archetypen von Weltanschauungen den eigenen Kompass bestimmen. Doch zuvor hatte Georg Soldner die Konferenz eröffnet. In kurzen Sätzen umriss er die Frage: «Das menschliche Denken hat Konsequenzen. Wir leben mit den Konsequenzen unseres Denkens. Es hat uns in die Krise geführt, eine ökologische Krise, eine Gesundheitskrise. Eine Folge von 500 Jahren Denken und Handeln. Wir sind verantwortlich und fragen: Wie können wir für die Gesundheit der Menschen, aber auch für jene der Haustiere, der Wildtiere, des Lebens auf unserem Planeten sorgen?» Das moderne Denken, so Baars, habe die Welt getrennt, unter dem Begriff One Health bringe man sie auf dem Feld der Gesundheit wieder zusammen. Er erinnerte daran, dass am Goetheanum elf Sektionen tätig sind und so das möglich machen, was der ursprüngliche Kerngedanke von One Health fordert, das Gespräch der Disziplinen, das Gespräch zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen akademischer Wissenschaft und Spiritualität.

‹Eine Gesundheit› ruft nach Brücken zwischen den Weltanschauungen

Annick de Witt forscht als Pädagogin über Weltanschauungen und Transformation der Gesellschaft. Sie betonte, dass heute die politische und kulturelle Polarisation die Menschen auseinandertreibt. Zum spätpostmodernen Zeitalter gehöre, dass es keine sinnstiftenden Narrative mehr gebe und dass Angst und Beklemmung hinzukämen. «Wir taumeln von Krise zu Krise und finden schwer die Wurzeln der Probleme.» Deshalb, so betonte de Witt, müssen wir beginnen, uns selbst zu betrachten und wie wir auf die Welt schauen. Die Klima- und die sozialen Krisen zeigen auf eine größere Krise, die Krise des Bewusstseins, des Geistes, darauf, wer wir sind und wer wir sein wollen. Es ist im Kern eine Krise von uns selbst. Heute habe jeder seine Weltanschauung und damit sein Bild der Wirklichkeit. Das mache es schwerer, miteinander zu sprechen. «Wir leben jetzt wirklich in verschiedenen Welten, und zwar auf eine Art und Weise, die wir als globale Zivilisation wohl noch nie erlebt haben.» Wir müssen, so rief sie auf, gegenseitig mehr darüber erfahren, wie wir uns engagieren und wie wir die Welt wahrnehmen. Sie erinnerte an den Philosophen Edgar Morin, der von einer Polykrise, also von miteinander verbundenen Krisen spricht, von denen heute kaum jemand verschont bleibe. Zu dieser Erkundung gehört, so de Witt, dass man sich über seine mehr unbewusst gebaute Weltsicht klar wird. Sie schafft die übergreifenden Sinn- und Bedeutungssysteme, wie wir Menschen die Realität interpretieren, handeln und mitgestalten. Was ist diese Realität? Wie ist diese Welt so geworden? Wem oder was können wir vertrauen? Was sind unsere Autoritäten in unserem Wissen? Was ist ein guter Mensch? Das sind die großen Fragen einer Weltanschauung. Die Weltanschauung ist weitgehend unbewusst wirksam und stiftet doch Sinn und Bedeutung, ohne die menschliches Leben kaum möglich ist. «Es ist, als würden wir eine Brille tragen, ohne es zu bemerken!»

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen.


Titelbild Bernd Rosslenbroich, Uni Witten Herdecke, Annick de Witt, Uni Utrecht, Foto: Wolfgang Held