Sonne, Mond und Bäume

Sonne, Mond und Bäume

13 September 2022 Alexander Schaumann 764 mal gesehen

Rudolf Steiner wollte die Malerei erneuern. Seine Schulungsskizzen für Maler und Malerinnen werden in diesem Jahr 100 Jahre alt. Sie bilden das Herzstück einer Ausstellung, die der Auseinandersetzung mit diesen Skizzen gewidmet ist und noch bis zum 10. November 2022 in der Kunstgalerie am Goetheanum zu sehen ist.


Bereits in seinen Mysteriendramen aus den Jahren 1910 bis 1913 ist eine der zentralen Figuren ein Maler, der seine Suche in dem Satz zusammenfasst: «Die Form sei der Farbe Werk!» Die Farbe soll nicht benutzt, sie soll als schöpferisches Wesen erfahren und entsprechend in Tätigkeit versetzt werden! Dieser Ansatz kommt mit der Errichtung des Goetheanumbaus zur Entfaltung. Es entsteht die Kuppelmalerei, bei der Steiner zum Teil selbst tätig wird. Durch Überlagerung transparenter Farbschichten entstehen geistige Räume, aus denen heraus sich Figuren von berührender Intimität verdichten. Spätestens 1921 mit den drei dezidiert für Malerinnen und Maler gehaltenen Vorträgen ‹Das Wesen der Farbe› wird aber deutlich, dass Steiners Anliegen weit über den Goetheanumbau hinausreicht. Er bringt die wegweisende Unterscheidung von Bild- und Glanzfarben und gibt überraschende Hinweise für ein angemessenes Malen der Naturreiche. Erst ein Jahr später, im Mai 1922, wird es aber wieder konkret. Henny Geck, eine am Goetheanum tätige Malerin, bittet Steiner um einen den Formen der Eurythmie entsprechenden Lehrgang. Es entstehen die neun sogenannten ‹Naturstimmungen›, auf die Skizzen zur menschlichen Gestalt und schließlich die großen Aquarelle ‹Urpflanze›, ‹Urtier›, ‹Ostern› und ‹Neues Leben› folgen.
Wie mit diesen Skizzen umgehen?

Diese Frage beschäftigt anthroposophische Malerinnen und Maler seit nunmehr 100 Jahren – für Christiane Haid ein Anlass, zu der gegenwärtig im Goetheanum zu sehenden Gruppenausstellung einzuladen. In einem tiefblau lasierten Raum, in der Kunstgalerie des Goetheanum im ersten Stock, sind Steiners neun mit Pastell auf Pergamentpapier gezeichnete Skizzen zu sehen: schlicht, fast unscheinbar und doch von überraschender Präsenz. Im Nachbarraum werden Henny Gecks in ambitioniertem Großformat ausgeführte Adaptionen gezeigt. Und auf den gewohnten Ausstellungsflächen und darunter in Foyer und Terrassensaal finden sich, von Barbara Schnetzler in bewundernswertem Feingefühl gruppiert, die übrigen, seither entstandenen Bilder. Es ging ihr nicht um eine systematische Hängung, sondern um Zusammenstellungen, in denen sich die Vielfalt der Annäherungen gegenseitig zur Geltung bringt. Dabei lassen sich manche Malerinnen und Maler von den Motiven selbst anregen, andere gehen von der Dynamik der Motive aus und wieder andere von deren Farben. Immer jedoch steht die Berührung durch Steiners Skizzen im Mittelpunkt. Es lässt sich erkennen, welcher Aspekt den oder die Kollegin bewegt und zum Schaffen angeregt hat. Natürlich ist es unmöglich, an dieser Stelle alle Beiträge zu würdigen. Der Rezensent folgt der durch sein Erinnerungsvermögen getroffenen Auswahl.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Website der Wochenschrift lesen.

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