Tierische Produkte aus dem Labor?
Die Erzeugung tierischer Produkte wird als klimaschädlich kritisiert. Als Alternativen werden zellkultivierte Produkte beworben, die in vitro aus Tierzellen erzeugt werden. Sind diese wirklich klimaneutraler und was ist der Preis – vital, seelisch und geistig?
Diese ‹zelluläre Landwirtschaft› erzeugt tierische Produkte in Bioreaktoren[1]. Für die Herstellung wird kein Hof benötigt, vielmehr gewebespezifische Stammzellen, die lebenden Tieren entnommen und in Nährmedien gezüchtet werden. Die Nährmedien selbst sind industriell hergestellte, hochkomplexe Gemische aus Fetten, Proteinen, Hormonen, Vitaminen, Signalmolekülen und Wachstumsfaktoren. Letztere werden häufig aus dem Nabelschnurblut von Rinderembryonen gewonnen. Weil die Gewinnung fragwürdig ist, stammen sie inzwischen aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen oder aus Pflanzen oder Algen[2]. So wächst aus einzelnen Tierzellen Fleisch heran. Über 100 Unternehmen forschen weltweit an Laborfleisch[3]. In Singapur ist das erste Laborhühnchenfleisch auf dem Markt, das 2023 auch in den USA zugelassen wurde. Neben Fleisch werden weitere tierische Produkte wie Milch oder Fisch im Labor erzeugt. «Nachhaltig, ressourcenschonend, dem Tierwohl dienend, sicher» – mit vielversprechenden Aussagen werben die Produkte.
Wenige und unvollständige Daten
Weil Methan um ein Vielfaches klimaschädlicher ist als CO2, wird dessen Verringerung als wichtiger Vorteil von Laborfleisch im Vergleich zur herkömmlichen Tierhaltung angeführt. Die Studie von Chriki et al. (2022) zur Frage, ob Laborfleisch eine Alternative zum Schlachten von Tieren ist, zeigt jedoch, dass dieses Argument nicht ausreichend untersucht ist.[4] Zellkultiviertes Fleisch hilft zwar, die globale Erwärmung kurzfristig zu vermeiden, weil kein Methan entsteht. Längerfristig könnte es jedoch schädlicher sein, weil das im Produktionsprozess entstehende Kohlendioxid länger in der Atmosphäre verweilt[5]. Insgesamt erfolgt die Herstellung von Laborfleisch noch in zu geringen Mengen, als dass aussagekräftige Daten erhoben werden könnten. So hat der erste Rindfleisch-Burger aus dem Labor 250 000 Euro gekostet.[6] Des Weiteren ist nicht transparent, wie die Ökobilanz von Laborfleisch aussieht, vor allem, ob die industrielle Herstellung des Nährmediums in die Berechnungen einbezogen wird. Zur Erzeugung von 1 Kilogramm Rindfleisch benötigt man ca. 550 Liter Wasser im Vergleich von bis zu 521 Liter für 1 Kilogramm Laborfleisch.[7] Der Wasserfußabdruck ist also ähnlich hoch. Zudem kostet die Herstellung von Laborfleisch viel Energie. Vergleichbare Zahlen gibt es hier noch nicht. In Bezug auf den Flächenbedarf ist es offensichtlich, dass Laborfleisch weniger Land benötigt. Hierbei führt die Übersichtsarbeit jedoch an, dass die Bedeutung der Tierhaltung für die Umwelt, die Landschaftspflege und die Bodenfruchtbarkeit bei diesem Vergleich berücksichtigt werden sollte.[8] Auch das Argument, dass Laborfleisch tierfreundlicher ist, gilt es kritisch zu betrachten. Wie werden die Tiere, die als Stammzellen-Spender fungieren, gehalten?
Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.
weiterlesenFußnoten
1. Fleisch aus Zellkultur kommt auf den Markt (1.3.2024) G. Willinger, Fleisch aus der Retorte. In: Spektrum der Wissenschaft 4, 2024, S. 44–49.
2. Siehe 1.
3. S. Chriki, M. P. Ellies-Oury, J. F. Hocquette, Is ‹cultured meat› a viable alternative to slaughtering animals and a good comprise between animal welfare and human expectations? Animal Frontiers 1 2022, S. 35–42, (20.08.2024)
4. Siehe 3
5. Fleisch aus Zellkultur kommt auf den Markt (1.3.2024)
6. S. Chriki, M. P. Ellies-Oury, J. F. Hocquette, Is ‹cultured meat› a viable alternative to slaughtering animals and a good comprise between animal welfare and human expectations? Animal Frontiers 1 2022, S. 35–42, (20.08.2024)
7. Siehe 6.
Foto The Meat Revolution, Mark Post. First cultured hamburger unfried. Quelle: commons.wikimedia.org