Über Eurythmie sprechen lernen
Eurythmie ist eine der großen Neuschöpfungen aus dem Herzen der Anthroposophie. Sie ist längst nicht mehr unbekannt. Aber ganz in der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt angekommen ist sie auch nicht. Seit vier Jahren findet ‹Eurythmie im Gespräch› regelmäßig im Goetheanum statt – eine Veranstaltung auf Initiative des Goetheanum-Eurythmie-Ensembles. Im Interview erzählen Christine Prestifilippo, Marianne Dill und Nicolas Prestifilippo, was sie dafür antreibt.
Franka Henn: Der Titel eurer Veranstaltungsreihe ist ‹Eurythmie im Gespräch›. Darin steckt bereits eine Aussage. Was sagt es für euch aus?
Nicolas Prestifilippo Darüber muss ich tatsächlich öfter nachdenken. Denn ‹Eurythmie› ist ein großes Wort – wer oder was ist sie, ist sie im Gespräch, und so weiter? Dahinter liegt unsere Intention, bezüglich der Bühneneurythmie den Dialog in Bewegung zu halten. Wir wollen Themen so zu den Menschen bringen, dass sie nicht als fertige Konzepte ankommen, sondern dass auch wir uns im Gespräch befinden. Das ist ein Anspruch, der nicht immer aufgeht, aber es ist, was wir uns davon wünschen.
Marianne Dill Es ging von Anfang an darum, eine Begegnung zu schaffen. Ein Gespräch ist an sich schon Begegnung. Aber wir wollten, dass das Goetheanum-Eurythmie-Ensemble und die Menschen hier vor Ort sich begegnen. Wir möchten das ‹Gespräch›, das zwischen Publikum und Ensemble während einer Aufführung stattfindet, erweitern. Darin ist ein doppelter Schritt: Das eine ist, dass Eurythmistinnen und Eurythmisten überhaupt in Worten und Gedanken sich mit Eurythmie auseinandersetzen. Und das andere ist das Treffen mit dem Publikum.
Nico, du moderierst die meisten Abende. Wie erlebst du deine Rolle, um Eurythmie ins Gespräch zu bringen?
NP Wichtig für unsere Herangehensweise ist erst einmal, dass wir nie den Gästen sagen, wie der Abend sein soll, sondern wir gehen auf sie ein. Gioia Falk wollte unbedingt, dass zu dem Gespräch über die Mysteriendramen Demonstrationen dazukommen. Mikko Jairi wollte Videos mitbringen. Klaus Suppan sprach über Beleuchtung und wollte das Gespräch auf der Bühne mit wechselnden Lichtstimmungen begleiten. Wir bereiten gemeinsam mit unseren Gästen vor, was geschehen soll. Vielleicht ist es deshalb manchmal schwierig, einen ganz offenen Gesprächsraum zu schaffen, weil wir vieles schon angelegt haben. Aber bisher steht der Begegnungsaspekt mehr im Vordergrund, wie Marianne sagte. Ich denke, Eurythmie ins Gespräch zu bringen, gelingt nur durch die Menschen, die mit ihr arbeiten. So zeigen sich verschiedenste Facetten der Bühneneurythmie. Unsere Gesprächsart ist eher sanft oder wir besprechen oft praktische Themen, aber wir suchen auch danach, wie wir unsere Gedanken schärfen und zu noch mehr inhaltlicher Reibung einladen können.
MD Das sehe ich auch so. Es hängt völlig von den Menschen ab. Dadurch lernen wir als Ensemble ebenso dazu. Wir erweitern unseren Blick auf das, was Eurythmie sein kann, durch jedes Individuum, das sich damit beschäftigt. Das Feld der Bühneneurythmie ist viel reicher als alles, was wir als aktuell Tätige hervorbringen können. Es ist auch ein Gespräch zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Komplexe Ansprüche zusammenhalten
Ihr arbeitet schon lange zu dritt als Team daran. Wie bereitet ihr die Veranstaltungen genau vor?
Christine Prestifilippo Begonnen hatte es mit Gesprächen innerhalb des Ensembles, in denen wir unsere Fragen zur Bühneneurythmie geteilt haben. Das versuchen wir fortzuführen und dort Themen zu sammeln. Dann finden wir die Menschen zu den Themen und organisieren die Abende. Das Vorgespräch ist dazu da, die Fragen für den Publikumsabend herauszukristallisieren. Denn in 45 Minuten können wir nie auf alles eingehen, was die Gäste mitbringen.
NP Ja, und wir laden das ganze Ensemble zu den Vorbereitungsgesprächen ein, damit der Austausch ins Ensemble zurückfließen kann. Die Vorgespräche haben den Vorteil, dass sie ein geschützter Rahmen sind und die Menschen oft lockerer erzählen als später vor dem Publikum. Manchmal planen wir Gespräche in dieser Reihe sogar nur als interne Gespräche, weil einige Menschen großes Interesse haben, sich mit uns auszutauschen, aber nicht öffentlich dazu auftreten möchten. Ein großer Ansporn für uns, das Ganze zu veranstalten, ist unser Eindruck, dass uns in der Eurythmie oft die Begriffe fehlen, um bestimmte Fragen oder Schwierigkeiten miteinander denken und besprechen zu können.
Also bildet ihr mit ‹Eurythmie im Gespräch› drei Intentionen ab: eine Plattform für fachlichen Diskurs zur Bühneneurythmie, einen öffentlichen Raum für Kunstvermittlung am Goetheanum und eine Bewusstseinsentwicklung oder eine Art Denkfabrik für Eurythmie?
MD Ja. Darin liegt das Komplexe unserer Absicht. Jetzt erst bildet sich langsam heraus, wer unser Publikum hier ist und wir können uns besser für die Themen- und Fragenfindung orientieren als noch vor vier Jahren. Aber es ist schwierig, alle drei Intentionen in einem Abend zu vereinen. Wenn es ein fachlicher Diskurs ist, dann ist es nicht gleichzeitig unbedingt anschlussfähig für Nichtprofis usw. Oft geht es darum, zu erkunden, wie wir über Eurythmie sprechen können, damit es ein offenes Gespräch ist, das anschlussfähig für ein breiteres Publikum wird.
Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.
Mehr Goetheanum-Bühne und auf Goetheanum TV Video-Gespräche zum Nachschauen. Zu Gast waren bereits: Mirela Faldey, Christian Peter, Benedikt Zweifel, Tania Mierau, Don Vollen, Mikko Jairi und Stefan Hasler.
Titelbild Veranstaltung ‹Eurythmie im Gespräch› mit Benedikt Zweifel. Foto: Privat.