Wenn Theater, dann hier!

Wenn Theater, dann hier!

28 Mai 2021 Andrea Pfaehler 1529 mal gesehen

In fünf Wochen kommt Goethes ‹Faust› im Goetheanum auf die Bühne, an vier Wochenenden. Es ist der erste Schritt nach dem Lockdown, und es ist Schritt zwei in der letztes Jahr von Andrea Pfaehler geführten Neuinszenierung. Wolfgang Held im Gespräch mit der Regisseurin Andrea Pfaehler.


Warum liebst du das Theater?

Andrea Pfaehler Weil es die größte Liebeserklärung an die Gegenwart ist. Jeder Moment im Theater ist einmalig, lässt sich nicht festhalten und schon gar nicht reproduzieren. Zu bejahen, dass nichts bleiben kann und nichts bleiben soll, das bedeutet Theater, diese fortwährende Feier des Augenblicks. Zu verstehen, dass das kein Verzicht ist, nichts festhalten zu können, sondern dass dadurch etwas Kostbares geschehen kann, darin liegt sein Wert. Alles ereignet sich im Jetzt, mit diesen Spielerinnen und Spielern, mit dieser Geschichte, mit diesen Menschen im Publikum. Natürlich besteht das ganze Leben aus Einmaligkeiten, aber da hat immer der Zufall seine Hand im Spiel. Anders im Theater, hier geschieht es als Verabredung: Die einen kaufen sich ein Ticket, die anderen schminken und kleiden sich – und dann kommen alle zusammen. Beide müssen sich einlassen auf das, was dann geschieht, jenseits all dieser Verabredungen.

Was ist das für ein Jenseits der Verabredungen?

Wenn die Schauspielerin, der Schauspieler etwas verpatzt, dann ist es geschehen, es gibt keine zweite Chance, keinen zweiten Take, wie das beim Film heißt. Sich so dem Augenblick zu übergeben, das kann nur aus der Gewissheit geschehen, dass der Augenblick, so wie er ist, richtig ist. Ich glaube, das ist es, was ich suche: dass der Augenblick, so wie er ist, absolute Gültigkeit hat.

Als Regisseurin arbeitest du für die Lebensbedingungen dieses Augenblicks?

Es gibt einen Widerspruch, der mich schon in der Ausbildung zur Schauspielerin begeisterte und nachdenklich werden ließ: Alles, was auf der Bühne passiert, ist verabredet. Wo die Darstellerin agiert, wie und wohin wir uns bewegen, was wir wie mit welcher Betonung sagen, alles ist geprobt und vereinbart. Mehr noch, auch das, was gerade nicht gesagt, nicht ausgesprochen wird, auch das ist viele Male besprochen und festgelegt worden. Nichts ist zufällig und dennoch ist alles offen. Das ist der Zauber des Theaters, die Gleichzeitigkeit von Verabredung und Offenheit, die Gleichzeitigkeit von ‹ich weiß› und ‹ich weiß nichts›.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Website der Wochenschrift lesen.

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Das Goetheanum · Ausgabe 22 · 28. Mai 2021