Wie die Natur in uns Heimat findet
Benno Otter hat sein halbes Leben den Park und die Gärtnerei um das Goetheanum gepflegt. Jetzt gibt er Kurse in Naturerfahrung. In der Reihe ‹Wie unterrichtet man Anthropospophie› schildert er, wie er die Natur nahebringt und wie sie in uns Heimat findet. Die Fragen stellte Wolfgang Held.
Wolfgang Held Erinnerst du dich an eines deiner ersten Naturerlebnisse?
Benno Otter Ich bin im Norden von Holland aufgewachsen und war damals sechs oder sieben Jahre alt. Wir hatten einen Garten und da wuchsen Bartnelken. Und ich kann mich noch erinnern, wie ich sie angeschaut habe und einfach wunderschön fand. Ein zweites Erlebnis stammt aus der Schulzeit. Wir hatten einen wunderbaren Biologielehrer, der uns die Aufgabe gab, ein Herbarium zu erstellen. So bin ich mit meinem Fahrrad herumgefahren und habe die Natur zum ersten Mal richtig kennengelernt. Hundert verschiedene Pflanzen sollten wir sammeln.
Hundert? Und von allen hast du die Namen gelernt?
Ja, wir mussten die Pflanzen trocknen und bestimmen, ganz klassisch mit einem Bestimmungsbuch. Es war keine Waldorfschule, doch später, als ich ihn in der Oberstufe wieder traf, stellte sich heraus: Er ist Anthroposoph. Er hat mich dann letztendlich zur Anthroposophie gebracht, und so kam ich zur biologisch-dynamischen Ausbildung in den Niederlanden.
Hast du eine Lieblingspflanze?
Die Urpflanze von Goethe!
Dann frage ich andersherum. Gibt es eine Pflanze, zu der du nicht so leicht eine Beziehung findest?
Das ist eine gute Frage: die Platane. Sie ist für mich wenig natürlich. Was an der Platane trotzdem eindrucksvoll ist: Wenn sich ihre Blätter im Herbst lösen, dann befindet sich die neue Knospe unter dem alten Blatt, und da erscheint dann der neue Trieb. Deswegen ist dieser Baum auch wieder großartig.
Du kannst auf viele Jahrzehnte Begegnung mit der Natur zurückblicken. Worauf kommt es an?
Beobachten. Innerliche Ruhe, Geduld. Und immer wieder, immer wieder, immer wieder die Pflanzen im Jahreslauf verfolgen. Es ist ja schon wunderbar, dass ein Schneeglöckchen im Februar kommt, und der Krokus, und dann Digitalis. Die innere Ruhe im Anschauen, und beim Anschauen der goetheanistischen Herangehensweise folgen. Das heißt, zunächst mal einfach das Anschauen, anschauen, wahrnehmen, was alles zu sehen ist bei einer Pflanze. Also die ganze Pflanze beschreiben und diese Beobachtung auf sich einwirken lassen.
Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.
Titelbild Benno Otter Foto Wolfgang Held