Wohin führt der Transhumanismus?

Wohin führt der Transhumanismus?

25 November 2022 Sebastian Lorenz 781 mal gesehen

Im September 2022 fand das sechste Kolloquium ‹Technik und Transhumanismus› der Sektion für Schöne Wissenschaften am Goetheanum statt. Grundlage der Arbeit war ein Vortrag Rudolf Steiners(1), in dem von einem «Zusammenspannen» der Menschenkraft mit der Maschinenkraft die Rede ist, von einer «Zusammenschmiedung» von Menschenwesen und Maschinenwesen, vom «Zusammenführen des Menschen mit dem Mechanismus».


Rudolf Steiner hört sich in diesen Zitaten erstaunlich prophetisch an und klingt bei erster Lesung wie ein Transhumanist. Doch sind seine Schau und auch sein konstruktives Warnen und seine weiterführenden, lösenden Hinweise ganz anders gemeint, als es die heute kursierenden Vorstellungen der industriellen ‹Menschheitsverbesserer› nahelegen. Steiner sah mitten im ersten technologisch geführten Krieg vor über 100 Jahren voraus, dass die drei Ideale des westlichen Okkultismus – Gott, Freiheit (Tugend) und Unsterblichkeit – sich in ihre Zerrbilder Gold (Reichtum), unzerstörbare Gesundheit und unbegrenzte Fortdauer der körperlichen Existenz verwandeln werden, insofern sie in die Gewalt egoistisch okkult strebender Gruppen geraten. Unter diesen mag man heute alle manipulativ und unter Umgehung des wachen Entscheidungsvermögens der Menschen arbeitenden, allein nach Wert- oder Profitmaximierung strebenden Geschäftsunternehmen zum Beispiel der digitalisierten Industriezweige verstehen. Nimmt man zur Kenntnis, dass die fünf größten markt- und weltbeherrschenden Firmen dieser Art: Apple (2418 Mrd.), Microsoft (1774 Mrd.), Google/Alphabet (1291 Mrd.), Amazon (1159 Mrd.) und Facebook/Meta (377 Mrd., notabene nach 58% Wertverlust im Jahre 2022) mit 7019 Milliarden USD gemeinsam mehr Wirtschaftskraft oder Marktwert auf sich vereinen als die führenden Industrienationen Japan (4850 Mrd.) oder Deutschland (3700 Mrd.), wird ihre reale, weltliche Macht erkennbar. Apple allein repräsentiert eine Wirtschaftskraft, die ungefähr dem Bruttoinlandprodukt Frankreichs (2580 Mrd.), der siebtplatzierten Industrienation der Erde, entspricht. Diese Spitzenfirmen der digitalen Industrie sind nicht demokratisch legitimiert, werden nicht durch Parlamente reguliert, handeln privat mit einer großen Produktmacht und weitgehend ohne öffentliche Kenntnisnahme. Sie sind beredte Beispiele der von Rudolf Steiner bezeichneten egoistischen Gruppeninteressen.

Aus der Arbeit im Kolloquium ergab sich des Weiteren, dass die im Transhumanismus verwirklichten Bestrebungen allesamt nichts anderes sind als ein materialistisches Zerrbild dessen, was in der Anthroposophie als zukünftige Zivilisationskraft beschrieben wird. Das lässt sich an den folgenden sieben hauptsächlichen Bestrebungen zeigen:

  • Transgenderismus (Überwindung des Geschlechtergegensatzes);
  • Programmatik des Enhancement (der Steigerung aller menschlichen Fähigkeiten);
  • Humanismusverwurzelung (in Vernunft, Wissenschaftlichkeit, Fortschrittsglaube und Gegenwärtigkeit);
  • Extropianismus (Umkehr der Entropie-Annahme; proaktive, forcierte Evolution);
  • Technologie-Positivismus (Einsatz modernster Technik);
  • Unsterblichkeitsstreben;
  • Körperfokus.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Website der Wochenschrift lesen.

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(1) Rudolf Steiner, Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen. GA 178, Dornach 1992.

Bild Simon Lee