Zukunft entdecken
Der menschliche Wille als Zukunftsorgan. Eine gekürzte Fassung des Referats an der Goetheanum-Weltkonferenz.
Der Wille ist ein sehr geheimnisvolles Vermögen des Menschen. Und 3000 Jahre Philosophie- und Psychologiegeschichte zeigen, dass er lange ein unbekanntes Phänomen war. Man findet selbst in der Hochkultur des griechischen Geistes keine Lehre des menschlichen Willens. Aristoteles war der Erste, der Vorahnungen formulierte – im Hinblick auf das, was später eine ausgebildete Willenslehre werden sollte. Die Entdeckung des menschlichen Willens ist tatsächlich ein Phänomen der jüngsten Vergangenheit. Und die Diskussionen darüber, ob es einen ‹freien Willen› gibt, halten bis heute an. Ein ‹unfreier Wille› wäre ein Widerspruch in sich, darauf machte bereits Hannah Arendt aufmerksam.
Zu der ‹jüngsten Vergangenheit› gehört unter anderen ein Philosoph wie Immanuel Kant, der den ‹absoluten Wert des Menschen› an die ‹Autonomie des Willens› band. Die Welt ist wesentlich die meinige, so schrieb Hegel, wenn ich sie mir begrifflich angeeignet habe. Erst durch den Willen aber präge ich die ‹Spur des eigenen Geistigen› dieser meiner Welt auf. Friedrich Schiller ging dann so weit, zu behaupten, es gäbe überhaupt keine andere ‹Macht› im Menschen als den Willen. Alle anderen Wesen ‹müssen›, aber der Mensch ist das Wesen, welches ‹will›. Schiller betonte auch, der Wille mache den Menschen ‹groß› oder ‹klein› – je nach Ausbildung und Zielsetzung seiner Willenstätigkeit. Mit dieser Entdeckung des Willens ist in gewisser Hinsicht die Entdeckung der Zukunft verbunden. Der Wille ist ein Organ für die Zukunft. Für eine Zukunft, die essenziell neu, unvorhersehbar ist.
Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen.
weiterlesenTitelbild Weltkonferenz 2023 am Goetheanum, Foto: Xue Li