Die Erschöpften

Die Erschöpften

09 Mai 2024 Karin Michael 310 mal gesehen

Die Zahl steigt weltweit: Menschen, die psychisch erkranken und nur eingeschränkt belastbar sind. Das betrifft auch Kinder und Jugendliche. Die Pandemieerfahrung hat sich besonders negativ auf sie ausgewirkt. Corona sei aber nur die Spitze des Eisbergs, meint Karin Michael, Kinder- und Jugendärztin und Co-Leiterin der Medizinischen Sektion am Goetheanum. Das Gespräch führte Franka Henn.


Wie erleben Sie den Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen nach der Corona-Zeit?

Ich muss dafür den Blick erweitern: Was sind Phänomene, die sich über die Kindheit hinaus in den letzten Jahren verdichtet und intensiviert haben? Erschöpfung ist ein zentrales Symptom. Wie steht es um die Kräfte von uns allen und der Natur? Von dort aus kann ich schauen, wie es Kindern und Jugendlichen geht. Wir müssen die Eltern, Lehrkräfte, Erzieherinnen usw. mitdenken. Daran schließt sich auch die Frage an: ‹Wie bin ich in meiner Kraft?› So fassen wir auch das Thema von unserem Lebenskräfte-Kongress Ende Mai auf (siehe Kasten). Es bleibt oft unverstanden, wie viel unsere Kraft von der Leibbeziehung abhängt, die sich in der Naturbeziehung spiegelt. Darum wollen wir auf dem Kongress auch Sinneserfahrungen ermöglichen. Denn wenn wir uns auf eine bestimmte Art und Weise fühlen, dann bekommen wir auch Zugang zu den Kräften in uns.

Woher rührt die überbordende Erschöpfung?


Das ist vielschichtig. Wir sind – durch Corona verschärft – aus unseren Rhythmen gefallen. Ohne Rhythmus in der Ernährung, im Schlaf, in der Begegnung etc. besteht eine grundlegende Entkräftung oder Erschöpfungsneigung – rein physiologisch. Auf der anderen Seite: Was macht das Nerven-Sinnes-System heute? Das ist bei vielen Menschen permanent reizüberflutet. Das verursacht Stress und reißt uns aus unseren Biorhythmen. Die Erschöpfung hängt also auch mit der Digitalisierung und Virtualisierung unserer Lebenswelten zusammen. Das fängt alles bei den Erwachsenen an, aber die Kinder wachsen darin auf und es erschwert ihnen eine gesunde Entwicklung.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.

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Bild Karin Michael, Foto: Xue Li

Veranstaltung Vom 29. Mai bis 1. Juni findet am Goetheanum der internationale Kongress ‹Lebenskräfte erschließen in einer Welt der Erschöpfung› statt. Veranstalterin ist die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Care I (Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit).