Pjotr Tschajkowskij

Pjotr Tschajkowskij

23 März 2021 Hans Hasler 6274 mal gesehen

Seit Februar 2020 vertritt der Arzt Pjotr Tschajkowskij als Landesrepräsentant die Anthroposophische Gesellschaft in Russ­land.


Es soll einmal vorgekommen sein, dass Pjotr Tschajkowskij und Sergej Prokofieff zu­sammen durch den Zoll gingen, der Zollbeamte mit Erstaunen ihre Pässe kontrollierte – und sich selbst dann den beiden als ‹Debussy› vorstellte. Nun geht es heute nicht um den Komponisten, sondern um den neuen Landesrepräsentanten aus Russland im Kreise der weltweiten Anthroposophischen Gesellschaft. Gebeten, ihn in ‹Anthropo­sophie weltweit› vorzustellen, komme ich mit meinem Freund Pjotr ins Gespräch.

«Wie war dein beruflicher Werdegang?»

«Mein Weg begann als Assistent in der Abteilung für Visualisierung von neuen Forschungen und praktischen Entwicklungen in der Akademie der Medizinischen Wissen­schaften in Moskau (RU). Aber dann entschloss ich mich, selbst Medizin zu studieren. Ich war anschließend rund 25 Jahre als Arzt tätig. In verschiedenen privaten Tages­kliniken konnte ich meine eigenen Patienten betreuen.»

«Du sprichst von deiner Arzttätigkeit in der Vergangenheitsform?»

«Ich bin jetzt 64 Jahre alt und pensioniert. Viele Freunde, Bekannte und Bekannte von Freunden wenden sich für Ratschläge an mich. Ich wohne an der Peripherie von Moskau, bin aber öfters in einem kleinen Dorf rund 500 Kilometer westlich von hier.»

Anerkannte Anthroposophische Medizin

«Wie bist du zur Anthroposophie gekommen?»

«Ich war 19 Jahre alt, als ich Anthroposophie kennenlernte und im Kreis junger Anthroposophen eine geistige Heimat fand. Wir studierten – noch im Untergrund verborgen – Geisteswissenschaft, führten in kleinen Wohnungen Mysteriendramen von Rudolf Steiner auf. Zu meinen besten Freunden gehörte Sergej Prokofieff.»

«Hast du anthroposophische Gesichtspunkte auch in deinem Beruf anwenden können?»

«Ja, Homöopathie hat in Russland eine lange Tradition. Schon seit Mitte der 1980er- Jahre kamen Ärzte aus Deutschland und der Schweiz und haben uns die Grundlagen Anthroposophischer Medizin vermittelt. Und Anthroposophische Medizin ist seit einem Jahr in aller Form vom Gesundheitsministerium als medizinische Richtung anerkannt. Es gibt im ganzen Land viele anthropo­sophische Ärzte; anthroposophische und homöopathische Medikamente stehen überall zur Verfügung.»

Vermitteln, verbinden, ausgleichen

«Wie siehst du deine Aufgabe innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Russland?»

«Es ist vieles nicht einfach bei uns. Soziale Formkraft ist nicht unsere Stärke. Oft prallen Meinungen, Gefühle und Emotionen aufeinander. Ich sehe meine Aufgabe darin, immer wieder zu vermitteln, zu verbinden, auszugleichen. Das ist eine therapeutische Aufgabe.»

«Was sind deine Erwartungen an die Anthroposophen aus Mitteleuropa?»

«Dazu kann ich nichts Allgemeines sagen. Meines Erachtens geht es darum, dass in beiden Richtungen – von Russland nach Mitteleuropa und umgekehrt – so viele persönliche Kontakte und Begegnungen wie nur möglich stattfinden.»

«Was beschäftigt dich besonders?»

«Zurzeit beschäftigt mich insbesondere die Frage nach dem Ich des Menschen, um das gerade heute in vielen Bereichen ein heftiger Kampf geführt wird. Eine besonders große Bedeutung für unsere Arbeit kommt dabei der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft zu. Ich halte regelmäßig Klassen­stunden und führe Arbeitsgespräche in Moskau, Nishnij Nowgorod und Kasan (alle: RU). In weiteren drei Städten Russlands treffen sich Klassenmitglieder. Jährlich findet eine größere Tagung der Hochschule statt, wobei natürlich auch hier zurzeit manches wegen der Corona-Krise Einschränkungen unterliegt.»


Hans Hasler führte das Gespräch auf Russisch und übersetzte es ins Deutsche.

Web Anthroposophische Gesellschaft in Russ­land