Alles aus dem Dunkeln kommen lassen

Alles aus dem Dunkeln kommen lassen

04 Dezember 2025 Louis Defèche & Gioia Falk 25 mal gesehen

Zu Weihnachten werden die Mysteriendramen von Rudolf Steiner zum letzten Mal im Goetheanum in dieser Inszenierung aufgeführt. Wir haben Gioia Falk gebeten, uns etwas über die Entstehung des künstlerischen Prozesses zu erzählen. Die Fragen stellte Louis Defèche.


Wie hat deine Arbeit an dieser Inszenierung der Mysteriendramen vor mehr als 15 Jahren begonnen?

Eine Gruppe von Eurythmisten und Eurythmistinnen, die im Jahr 2000 neu ans Goetheanum gekommen waren, fragte: «Kannst du mit uns ‹Farben› machen?» Ich habe gerne zugesagt. Wir haben einige Themen zur Bewegung der Farbe behandelt, und als Letztes kamen die Farben von den Mysteriendramen. In der Regieangabe zur Weltenmitternacht im vierten Drama beschreibt Rudolf Steiner, wie die Seelen erscheinen – die Köpfe immer mit Aura: blau mit orangen Sternen, rötlich, blau-gelb usw. Wir haben uns davon inspirieren lassen, weil das so ungewöhnliche Aufgaben waren. Und großartig, Rudolf Steiner macht Angaben, wie die bewegten Fluten hinten und vorn auf der Bühne das Geschehen einrahmen. Und dann noch ein Rätsel: Dieses «Blau-Gelb» – das ist ja nicht ein Gelb-Blau. Was ist da der Unterschied? Gibt es das überhaupt? Findet man das in der Natur?

Und habt ihr es in der Natur gefunden?

Es ist selten. Bei manchen Sonnenuntergängen ist die Sonne bereits verschwunden, aber das Sonnenlicht überlagert mit den letzten Strahlen noch den Himmel. Das Blau ist schon dahinter, und das Gelb schafft es nicht mehr, voll zu strahlen – es durchtränkt den Himmel nur noch. Das ist aber noch kein Grün. Manchmal gibt es bei Gewitter eine grüne Stimmung, aber hier ist es noch sauber getrennt. Es ist wie ein selbstloses Gelb, das nicht mehr richtig strahlen kann und den Himmel durchlässt. Vielleicht gibt es noch andere Momente, aber wir haben diesen gefunden: nach Sonnenuntergang. Und dann haben wir festgestellt, dass das genau die Angabe von Rudolf Steiner für Theodora ist. Theodora ist im Goethe-‹Märchen› der Vogel, der die letzten Sonnenstrahlen noch zurückstrahlt. Gerade in der Natur einen Moment als Charakterisierung einer ganzen Individualität zu nehmen – das ist bemerkenswert.

Wurde das mit den Farben auch konkret angewendet?

Einmal traf ich den Schauspieler Christiaan Stuten und habe gesagt: «Du, wir haben jetzt in dieser Gruppe die Aura von Capesius ausgearbeitet!» Er war interessiert und erstaunt, war er doch viele Jahre mit den Farben und der Sprache aktiv. Er war damals Regisseur der Mysteriendramen, hatte den Capesius oft gespielt und den Text parat. Die Aura ist blau, und von diesem Blau kommen immer wieder rote oder orange Impulse. Dann haben wir geübt mit ihm. Plötzlich sagte er: «Also, wenn man die Farbe wirklich um sich herum hat, spricht man ganz anders. Ich verstehe auch den Text ganz anders.» Nun waren wir allerdings sehr erstaunt.

Dieses Erlebnis hat mich nicht losgelassen, sodass es dabei nicht blieb: Steiner spricht davon, dass die ganze Weltenmitternacht ein «sinnvolles Farbenfluten» sein soll. «Farbenfluten» – das kann man sich noch abstrakt vorstellen. Die Farben sollen wechseln. Das kennen wir noch: ein neuer Gedanke, eine neue Stimmung. Doch es soll auch «sinnvoll» sein, so die Regieanweisung. Wäre da eine konkrete Gestaltung möglich?

Niemand dachte damals daran, das in die Gestaltung der Mysteriendramen aufzunehmen. Ich lebte in der Zeit als Eurythmistin in der Inszenierung von Christiaan Stuten. Als ich einige Jahre später (2008) die Aufgabe bekam, die Dramen «aus dem Geist der Eurythmie» neu zu inszenieren, habe ich wenig von dem, was wir als Farbqualitäten in die Bewegung umgesetzt hatten, so verwendet. Und doch hat es den Hintergrund des neuen Konzeptes wesentlich geprägt, insbesondere in den Geistgebieten.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen. Falls Sie noch kein Abonnent sind, können Sie die Wochenschrift für 1 CHF/€ kennenlernen.


Veranstaltung Erkenntnis ist auf jeder Lebensstufe anders

Bild Mysteriendramen 2023, Foto: Georg Tedeschi