Gibt es eine michaelische Haltung?

Gibt es eine michaelische Haltung?

25 September 2019 Ueli Hurter & Justus Wittich 5562 mal gesehen

Die neuen Sprecher Ueli Hurter und Justus Wittich hatten für die Klausur der Goethe­anum-Leitung von 2. bis 4. September drei Orte ausgewählt, um unterschiedliche Sichten aufs Goetheanum einzunehmen. Zudem fielen die Entscheidungen für die neuen Leitungen der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion und der Sektion für Bildende Künste.


Zu Beginn der Klausur war deutlich, dass nach der Goetheanum-Welt-Konferenz Michaeli 2016 – dem Hinhören, was weltweit notwendig erscheint – bis Ende 2019 die mit Zielen und Projekten vorgesehene innere Neuaufstellung des Goetheanum nach drei Jahren abgeschlossen sein sollte. 2020 wird es darum gehen, wie für die kommenden drei Jahre bis 2023/24 die Beziehung des Goetheanum zur Welt verwandelt und wie die vor uns stehenden Jubiläen gestaltet werden können.

Grundlage für dieses Arbeitsjahr ist eine Beschäftigung mit den Michael-Briefen Rudolf Steiners und dabei insbesondere die Frage: Gibt es eine michaelische Haltung, die wir partizipativ zusammen aus dem Leben in allen Sektionsgebieten und der Anthropo­sophischen Gesellschaft geistig ertasten, formulieren und in Wirksamkeit bringen können? Was heißt ‹Anthroposophie tun› konkret und in jeder Situation? Welchen Beitrag kann das Goetheanum, können die vielen aus Anthroposophie entstandenen Initiativen und Einrichtungen zur Gesundung und Entwicklung der Welt beitragen?

Drei Perspektiven auf das Goetheanum

Für diese Aufgabenstellung wurde von den Sprechern eine ungewöhnliche Übung gewählt. Am ersten Tag wurde im Wachsmuth-Haus in der Nähe des Goetheanum getagt und in der Mittagspause die Lage des Goetheanum im ehemaligen Schlachtfeld der letzten kriegerischen Auseinander­setzung zwischen Schwaben und Eidge­nossen 1499 betrachtet. Wie ist Rudolf Steiner mit dieser Verortung des Goetheanum umgegangen? Und wie gehen wir heute mit den konkreten Fragen um, die das Rechtsleben unserer Gesellschaft betreffen?

Am zweiten Tag waren wir zu Gast in der ältesten noch bestehenden heilpädagogischen Einrichtung, dem Sonnenhof in Arlesheim. Aus einem solchen Schulbetrieb sah die Aufgabe des Goetheanum wiederum anders aus. Und in der Mittagspause wurde das vertieft durch die Begehung der Ermitage und den Blick auf die Legende der Heiligen Odilia als eine symptomatische Erscheinung des abendländisch-esoterischen Geisteslebens.

Am dritten Tag schließlich waren es der Ackermannshof, das Philosophicum in Basel, seit 2011 Sitz unter anderem auch des Rudolf-Steiner-Verlages, und der nahe Rhein. Er eröffnete den Blick nicht zuletzt auf die schweizerische Chemie-Industrie, weltweit eines der intensivsten Wissenschafts- und Wirtschaftskonglomerate. Und von Weitem gesehen (zum Beispiel von den Vogesen)liegt der Goetheanum-Bau nur kurz dahinter! Wie ist das Verhältnis des Goetheanum zum Wirtschaftsleben? Was entstehen dadurch für Aufgaben für die Freie Hochschule? Insofern lag es nicht fern, dass sich die Goetheanum-Leitung an diesem Tag auch erstmalig intensiver aus der Perspektive aller Sektionen mit der Klimafrage der Gegenwart beschäftigte.

Weiterhin haben während der Klausur die Beratungen zur Zäsur von Joan Sleigh 2020 begonnen und wurde ein breites Spektrum von Themen von den ‹Faust›-Aufführungen am Goetheanum bis hin zur Gestaltung des zukünftigen Verhältnisses der Anthroposophischen Gesellschaft zur Weleda besprochen.


Michael-Kraft

Das ist Michael-Kraft! Vertrauen haben zu den Gedanken des Geistigen […] Du hast diesen oder jenen Impuls aus dem Geistigen. Du gibst dich ihm hin, du machst dich zum Werkzeug seiner Ausführung. Ein erster Misserfolg kommt – macht nichts! Ein zweiter Miss­erfolg kommt – macht nichts! Und wenn hundert Misserfolge kommen – macht nichts! Denn kein Misserfolg ist jemals ausschlaggebend für die Wahrheit eines geistigen Impulses, dessen Wirkung innerlich durchschaut und ergriffen ist. […] Und wenn es auch erst nach der hundertsten Inkarnation sein wird, dass für diesen Impuls die Kräfte zu seiner Realisierung mir erwachsen – nichts kann mich überzeugen von der Durchschlagskraft oder Nichtdurchschlagskraft eines geistigen Impulses als dessen eigene Natur. […] Und wenn auf diese Weise das Vertrauen zu dem Geistigen eine solche Seelenverfassung begründet, dass man in die Lage kommt, dieses Geistige als so real zu empfinden wie den Boden unter unseren Füßen, von dem wir wissen, dass, wenn er nicht da wäre, wir mit unseren Füßen nicht auftreten könnten, dann haben wir ein Gefühl in unserem Gemüte von dem, was eigentlich Michael von uns will.

Quelle: Rudolf Steiner, GA 223, 1990, S. 117f.

Bezug: Michaeli und 21 Jahre ‹Anthroposophie weltweit›