Bewusstsein für Vielfalt
Die Anthroposophische Gesellschaft in Großbritannien strebt zunehmend danach, bei allem, was sie tut, Diversität zu fördern.
Seit der Ermordung von George Floyd 2020 und der darauf folgenden rasanten Ausbreitung der ‹Black Lives Matter›-Bewegung haben die Themen ‹Gleichberechtigung› und ‹Vielfalt› in vielen Ländern erhöhte Aufmerksamkeit und Unterstützung erfahren.
In Großbritannien gilt Rassismus weithin als ein ungelöster Makel für das ganze Land – mit verheerenden und weitreichenden Folgen für das Leben des Einzelnen. Inzwischen unterstützen viele Unternehmen, Universitätsleitungen und führende Politiker/innen die Ziele der ‹Black Lives Matter›-Bewegung. Im Zuge der Aufarbeitung unserer Kolonialgeschichte wurden Statuen abgerissen, die an diejenigen erinnern, die von der Ausbeutung der Schwarzen profitierten. Die derzeitige Regierung scheint jedoch Rassismus als nebensächlich zu betrachten, trotz einer Reihe von Untersuchungen, die zahlreiche Bereiche der Ungleichheit aufzeigen, beispielsweise dass es bei Menschen mit dunkler Hautfarbe viermal wahrscheinlicher ist, dass sie an Covid-19 sterben, und 19-mal wahrscheinlicher, dass sie von der Polizei angehalten und kontrolliert werden.
Andere Demografie
London hat die größte nichtweiße Bevölkerung aller europäischen Städte und ist die sprachlich vielfältigste Stadt der Welt. Betritt man jedoch das Rudolf-Steiner-Haus, den Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien, ist die Demografie völlig anders. Die Mehrheit der Mitglieder ist weiß und älter; während die Geschlechter einigermaßen ausgeglichen sind, hat es fast 90 Jahre gedauert, bis eine Frau Generalsekretärin wurde. Der gegenwärtige Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien erkennt voll und ganz an, dass sich in einer Gesellschaft, die danach strebt, offen, zeitgemäß, vielfältig und ansprechbar für Menschen zu sein, die das Geistige suchen, dringend einiges ändern müsste.
Schon in der Zeit vor dem Tod von George Floyd hat der Vorstand beschlossen, die wiederholten Rassismusvorwürfe gegen Rudolf Steiner zu entschärfen. Was immer Rudolf Steiner vor 100 Jahren gesagt hat, steht da als das, was es ist. Heute können wir uns bemühen – so gut wir es können –, die hohen humanitären Maßstäbe, die die Anthroposophie und unsere Zeit verlangen, vorzuleben und zu fördern. Die ‹Black Lives Matter›-Bewegung und die Rassismus-Vorwürfe haben uns dazu einen zusätzlichen Anstoß gegeben.
Diversitätstraining
Der Vorstand hat mehrere Initiativen ergriffen, von denen einige leider wegen der Covid-19-Pandemie verschoben wurden, darunter ein Diversitätstraining für Vorstandsmitglieder und eine entsprechende Erklärung auf unserer Webseite. Dies sind nur die ersten formalen Schritte; vieles wird davon abhängen, ob es möglich sein wird, über die derzeitige demografische Gruppe hinaus konkrete menschliche Beziehungen zu Menschen aufzubauen, die sich für Anthroposophie oder ihre praktischen Initiativen interessieren.
Wir möchten anthroposophische Institutionen, die ihr Bewusstsein schärfen und ihre Vorgehensweise befragen wollen, unterstützen. Wir beabsichtigen, eine/n Kulturbeauftragte/n einzustellen, die/der viele unserer Veranstaltungen initiieren und betreuen wird. Wir streben danach, Diversität bei allem, was wir tun, zunehmend zu fördern. Wir sind uns bewusst, dass es Zeit braucht, um Ideale in die Realität umzusetzen – der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien hat sich zu einem Wandel in diese Richtung verpflichtet.
Ich schließe diesen kurzen Bericht mit Worten Rudolf Steiners, die er im Mai 1913 in London (GB) gesprochen hat: «Mit jenem tiefen inneren Gefühl der Einheit, welches zur Anthroposophie gehört und in welchem sich alle menschlichen Wesen auf der Erde vereinigen sollten ohne Unterschied der Rasse, Farbe oder dergleichen, mit diesem Gefühl erlauben Sie mir, heute zum ersten Mal zu Ihnen zu sprechen und Sie aufs Herzlichste zu begrüßen.» (GA 152, Vortrag vom 1. Mai 1913)
Aus dem Englischen von Sebastian Jüngel.
Web: Anthroposophy in Great Britain