Was wollte Rudolf Steiner?

Was wollte Rudolf Steiner?

16 November 2022 Franka Henn 3355 mal gesehen

Unter dieser Fragestellung hat das bekannte Schweizer Fernsehformat ‹Sternstunde der Philosophie› eine Sendung über Anthroposophie ausgestrahlt.


Eingeladen war die ehemalige Sektionsleiterin und Autorin Martina Maria Sam und der Religionsphilosoph und Anthroposophie-Kritiker Ansgar Martins. Das Moderationsteam, bestehend aus Olivia Röllin und Yves Bossart, machte einen sehr souveränen Eindruck – interessiert und distanziert versuchten sie, ‹Anthroposophie› zu verstehen. Während Yves Bossart das Dreiergespräch moderierte, war Olivia Röllin als Reporterin bei verschiedenen Menschen zu Besuch. So unter anderem in der Münchensteiner Waldorfschule, in der Eurythmieausbildung in Aesch und auf dem Goetheanum-Rundgang, geführt von David Marc Hoffmann. Ansgar Martins meinte: «Mich interessieren die Anthroposophinnen und Anthroposophen mehr als Steiner.» Steiner sei ein Katalysator von Ideen gewesen; die Szene aber sei wie ein Reagenzglas für alles, was passiert. Auch der Moderator Bossart gab zu, dass er ‹Die Geheimwissenschaft im Umriss› als Vorbereitung gelesen habe und es für ihn eine «etwas abgespacte Fantasywelt» gewesen sei. Sehr kritisch wurde auf vieles in der Rassenlehre oder dem «vergeistigten Deutschnationalismus» (Martins) hingewiesen. Gleichzeitig wurde diese Kritik sehr neutral und respektvoll vorgebracht und Sam und die anderen Interviewten konnten ihre Anliegen frei äußern und manches ins Verhältnis setzen. Zum Abschluss überraschte Bossart beide Gäste. Sam sollte beantworten, worin Steiner komplett danebengelegen habe. Nach einem kurzen Umweg endete sie mit dem Statement, dass ‹richtig› und ‹falsch› nicht die passenden Kategorien seien, sondern dass man alles selbst wahrnehmen und prüfen müsse. Die Fruchtbarkeit für die Lebenspraxis sei hingegen auch ein Kriterium der Wahrheit. Martins, der im Gegenteil über etwas sprechen sollte, mit dem Steiner richtig lag, wich zunächst auch aus. Er begründete dann aber sein Interesse an den Anthroposophinnen und Anthroposophen: Anthroposophie sei wie eine Zeitkapsel, in der das 19. Jahrhundert konserviert wurde. «Und auch wenn ich darin keine Wahrheit suche, habe ich doch schätzen gelernt, was das für umtriebige Leute sind. Und es ist wahrlich nicht so, dass Anthroposophinnen und Anthroposophen eine Gefahr sind oder die Gesellschaft unterwandern. Ich glaube, da werden Anthroposophinnen und Anthroposophen selbst zum Gegenstand von Verschwörungstheorien, selbst wenn sie selbst solche vertreten.»

Dieser Artikel wurde bereits zuvor in der Wochenschrift veröffentlicht. Diesen und viele weitere wöchentlich neu veröffentlichte Artikel können sie auf der Website der Wochenschrift lesen.


Mehr ‹Anthroposophie – Was wollte Rudolf Steiner?›, 30. Oktober 2022, auf SRF. Nachzuschauen in der SRF-Mediathek

Titelbild Martina Maria Sam und Ansgar Martins mit Yves Bossart im Studio der Sendung ‹Philosophie Sternstunde› von 30.10.2022, SRF, Screenshot.